Das geplante "Gauforum Dresden"
Werkzeug zur Massenmanipulation - Gigantomanie des deutschen Faschismus

 

Ausschreibung: Paul Wolf, auch u.a. Baudirektor
                       Carl Hirschmann (Dresden)
Architekt:   städtebaul. Ideenwettbewerb + Wilhelm Kreis
Bauzeit:     Planung 1935- 1939, nicht ausgeführt
Adresse:    Lenné Straße

Architektur als Machtinstrument

Von "Aufbruch", "Revolution" und "Neubeginn" war nach 1933 auch in Dresden, wo die NSDAP bei den Reichstagswahlen am 05. März 1933 von den DresdnerInnen mit 42 % (1) gewählt wurde, oft die Rede. Schnell schossen aus der national-sozialistisch umgestalteten Stadtverwaltung überschwängliche städtebauliche Planungen zur baulichen Manifestation der neuen Zeit. Dresden sollte nun auch architektonisch seiner neuen Funktion als "Gauhauptstadt" gerecht werden.

Zum Glück blieb die Barockstadt außer einigen Verwaltungs-bauten von den großen Bauvorhaben verschont, die bis 1939 in der Bauverwaltung des "Reichsstatthalters" Mutschmanns bzw. im Stadtplanungsamt Paul Wolfs ausgearbeitet wurden.
Doch auch die Planungen zum großen Gauforum sind in sich makaber eindrucksvoll und zeugen vom übersteigerten Machtwahn von Hitler-Deutschland und seiner BürgerInnen.
In einem groß angelegten Bauprogramm sollte die Omnipotenz der Partei und der "Bewegung" durch ein Partei- und Verwaltungszentrum manifestiert werden. Beabsichtigt war, dieses als geschlossenen Komplex ausgebildete Gauforum - bestehend aus Halle, Gauhaus, Glockenturm und Platz - als neuen politischen Mittelpunkt der "Gauhauptstadt" zu schaffen.

Maßgeblichen Anteil an der späteren Detailplanung zum gigantischen Gauforum hatte Prof. Wilhelm Kreis, der Erbauer des Hygiene-Museums von 1927-30 in Dresden. Dessen modern- monumentales, neoklassizistisches Museumsgebäude schien zur propagandistischen Weiterführung geradezu einzuladen. Ein Gauforum sollte nun auch in Dresden entstehen, wie es u.a. ähnlich in Weimar, Augsburg, Bochum oder Frankfurt/ Oder vorgesehen war. Die provisorischen Museumsbauten der Internationalen Hygieneausstellung von 1930-31 im modernen Internationalen Style wurden hier in Dresden bald nach Beendigung der weltoffenen Gesundheitsschau abgerissen. Foto des Geländes 1930
Selbstverständlich orientierte sich Kreis an der NS-Ästhetik eines vergröbernden Neoklassizismus, anstatt auf irgend welche lokale Barock-Traditionen einzugehen. Aber der Klassizismus war in Dresden eh nicht ausgeprägt.

Der Wettbewerb

Zu diesem Zweck wurde bereits Ende 1934/ 1935, also nur zwei Jahre nach der "Machtergreifung", ein städtebaulicher Ideenwettbewerb zum künftigen "Adolf Hitler Platz" durchgeführt, zu dem insgesamt 277 Arbeiten eingereicht wurden. Preise und Auszeichnungen erhielten:

1. Preis:    A. M. Schmidt (Stuttgart)
3. Preis:    H. A. Schaefer (Berlin Wilmersdorf) (siehe Bild rechts)
Ankauf: (1) Hans Heuser und Helmut Hentrich (Düsseldorf)
            (3) Leiterer & Wünsche
            (4) Richard Steidle (München)
            (5) Hans Richter (Dresden)
G. Zielger (Kaiserslautern)
H. Freese (Dresden)

Hans Hopp (Ostpreußen)

Der ursprünglich 1. Preis war jedoch an das Büro Herbert Terpitz (Cossebaude) und Müller Moreitz (Leipzig)
ergangen Foto 1 u. 2.  Den dritten hatte W. Hoffmann (Berlin Nikolasee) + Otto Biehl (Neubabelsberg) erhalten. Beide wurden jedoch ausgeschieden, da jeweils einer der Büropartner nicht Mitglieder der "Reichskammer der bildenden Künste" war.

Der Dresdner Stadtbaurat Paul Wolf selbst hatte das im städtischen Besitz befindliche Gelände um die Ilgen- kampfbahn und das Arnholdbad vorgeschlagen, da hier noch eine Menge freier Platz um die Güntz- und Polizeiwiesen war. Zudem hatte er wenige Jahre zuvor die Planung dieses Sport- und Hygieneforums betreut. Er selbst, obwohl als beamteter Architekt nicht zum Wettbewerb zugelassen, arbeitete vor und nach dem Wettbewerb mehrere Entwürfe zum Gauforum aus. Einer z.B. sah neben der großen Halle, ein Freilicht-Theater, ein Gauhaus und ein "Institut für Rassenhygiene" vor (Pläne siehe Literaturverweis unten).
Maßgeblichen Anteil an den Planungen zum Gauforum in seiner ersten Phase hatte auch der Dresdner Bürgermeister (1933 - 1938) Ernst Zörner.

Einige Entwürfe sind in der Fotothek der SLUB einsehbar bzw. 12 Abbildungen unter www.bildindex.de abrufbar (Dresden, Stadt, Plätze oder platzartige Straße, Adolf-Hitler-Platz)

Der Wettbewerb blieb zunächst Projekt. Eine Umsetzung des gigantischen Bauvorhabens verzögerte sich aus diversen Gründen. Letztendlich wurde 1936 Wilhelm Kreis von der Gauverwaltung (bzw. von Hitler persönlich) mit dem Bau des Gauforums beauftragt.
Kreis, der auch am Wettbewerb - allerdings ohne Erfolg - teilgenommen hatte, stützte sich bei seinem Entwurf auf die bereits vorhandenen Ideen.
Rund um den neuen "Adolf Hitler Platz" (1) sollte dann neben dem Deutschen Hygiene Museum (4) nordöstlich ein neues "Gauhaus" (2) und südwestlich eine riesige "Sachsenhalle" (3) entstehen. Östlich am Platz waren zwei Ehrentempel (5) vorgesehen, dazu Kolonaden und ein 70 Meter hoher "Wartturm" (6). Eine neue, sehr repräsentative Durchbruchstraße (8) als Weiterführung der Herkulesallee sollte das neue politische Zentrum mit dem freigestellten Rathaus verbinden und hätte dazu eine Vielzahl intakter bürgerlicher Wohnbauten des 19. Jh. beseitigt. Sie wurde im Bericht der "Bauwelt Heft 9, 1938) als "Aufmarschstraße" bezeichnet.

Diese monströsen Planungen, die jede Maßstäblichkeit für die historischen Proportionen Dresdens entbehrten, wurden durch den Beginn des II. Weltkrieges und die damit verbundenen wirtschaftlichen Engpässe nicht umgesetzt. Lediglich eine Grundsteinlegung des "Gauhauses" fand am am 09. März 1939 durch Gauleiter Martin Mutschmann
statt. Fundamente davon müssten bei archäologischen Grabungen an der Lennéstraße ("Cockerwiese") zu Tage treten. Foto Zustand 2012



Massenhypnose

Zentrum dieses geplanten neuen politischen Mittelpunkts der "Gauhauptstadt Dresden", außerhalb der historischen Altstadt, sollte ein Aufmarschgelände von 75 000 qm für
200 000 (!) Menschen werden.
Das Gauhaus (210 x 190 m) sowie die Sachsenhalle (140 x 220 m) sollten beide jeweils 40 000 militarisierten völkischen Genossen und Soldaten Platz zur Verherrlichung faschistischer Gewaltideen geben. Gedacht war an Versammlungshallen "in der klaren, geraden und wuchtigen Architektur, die der Ausdruck unserer Zeit und unseres Lebensgefühls ist." (Grieben Reiseführer Dresden 1938).
Die Inszenierung und das Aufputschen eines Massen- rausches, in der das einzelne Individuum völlig unterging und der Verstand ausgeschaltet wurde, sollte einer bewußten propagandistischen Manipulation dienen.




Wettbewerbsunterlage 1934 - Erläuterungsentwurf des städtischen Hochbauamtes. An alle 277 Teilnehmer gesandt, Vergrößerung


Entwurf von H.A.Schaefer (Berlin-Wilmersdorf), 3. Preis / Rechts oben auf der isometrischen Darstellung (ganz klein) das an sich schon massige Hygiene Museum.


Grundriss vom Entwurf Schaefer, siehe "Dresdner Hochschulblatt" 20.06.1936


Ankauf: Heuser & Hentrich (Düsseldorf)


Gauforum, Lageplan, Entwurf: Wilhelm Kreis (zweite Projektphase 1938/39) - Vergrößerung, 1937/38 gab es eine leicht veränderte Fassung. Abbildung hier www.gauforum.de (Foto 9)


Überarbeitetes Modell vom geplanten Gauhaus. Architekt: Wilhelm Kreis, 1938, Foto: Deutsche Fotothek, Vergrößerung


Gauforum, Grundriss der Halle (Eingangsgeschoss), Entwurf Wilhelm Kreis, (erste Projektphase), 5. Mai 1938. In der "Sachsenhalle" sollten 40 000 (!) Personen Platz finden.


Gauforum, Modell des Glockenturmes von Nordwesten, Entwurf: Wilhelm Kreis (zweite Projektphase, nach 1938) - als Pendant zum Rathausturm - genau in der neuen Achse.


Gauforum Dresden, Entwurf für die "Halle der Volksgemeinschaft" von Wilhelm Kreis, 1937 Vergrößerung

Gauforum Eingangshalle. Quelle: W.Nerdinger, E.Mai: Wilhelm Kreis, 1994
Wilhelm Kreis, Gauforum, Eingangshalle 1937, Vergrößerung


Gauforum Modell (oben: Blick von Osten, unten: Blick vom Westen), Entwurf: Wilhelm Kreis (zweite Projektphase) nach 1938

 

Die alte Stadt sollte rabiat modernisiert werden.


 


Außerhalb des Altstadtrings sollten die Hauptstraßen der Vorstädte den nationalsozialistischen Machtanspruch unterstreichen. Wesentliche Verkehrsvorhaben sind in diesem Plan zu erkennen. - Quelle: (Grieben Reiseführer Dresden 1938)



Während des Planungsprozesses zeichnete sich 1938 ab, dass vom Gauforum ausgehend, die ganze Stadt einer umfassenden Umgestaltung unterzogen werden muss. In erster Linie war der motorisierte Zubringerverkehr für die geplanten 200 000 Menschen auf den Platz des Gauforums zu bewältigen. Zu der pompösen Direktachse vom freigestellten Rathausvorplatz zum Gauforum kamen weitere sehr breite "Durchbruchstraßen" nach Haussmannscher Manier hinzu. Diese Propaganda-Alleen hätten Unmengen von Abbrüchen historischer Bausubstanz zur Folge gehabt. Sie dienten einer infrastrukturellen Verbesserung, aber mehr noch sollten sie dem übersteigerten Machtanspruch der Nationalsozialisten Ausdruck verleihen. Als überbreite Verkehrsachsen wurden sie von Paul Wolf im Sinne seiner stadthygienischen Ideale der 1920er mit großkronigen Baumreihen versehen.

Die erste Phase des Stadtumbaus (1933/34) hatte eine Stadtkosmetik im Zeichen der Arbeitsbeschaffungs- maßnahmen zum Ziel und die "Sanierung" der Altstädte.
In Dresden konnte die Umgestaltung des Neustädter Königsufers, einschließlich der tribünenartigen Anlage als "Forum für nationale Kundgebungen" (jetzt Ort der "Filmnächte") im Zeichen der (schlecht bezahlten) großen ABM-Projekte 1935/36 von Stadtbaurat Paul Wolf realisiert werden.

Die Dresdner Stadtplanung der späten 30er Jahre konzentrierte sich auf eine grundlegende Umgestaltung des Stadtzentrums. Noch vor dem Hitler- "Gesetz zur Neugestaltung deutscher Städte" im Februar 1939 arbeitete Paul Wolf Ende 1938 einen umfassenden Neuordnungsplan aus. "Die Neugestaltung der Innenstadt" sah folgende grobe Veränderungen vor:

Vom Hauptbahnhof um den Wiener Platz (siehe Nummer auf den Plan oben: 11)
war eine Neuregulierung des Verkehrs-systems vorgesehen.
Ein neuer Straßenzug (12) sollte etwa im Zuge der heutigen Petersburger Straße zum Georgplatz führen. Die komplette erhaltene Umgebung des damaligen Georgplatzes wäre den harten Modernisierungsbestrebungen des Stadtplanungs- und Hochbauamtes unter Paul Wolf und (Ersatz-)Oberbürgermeister Rudolf Kluge zum Opfer gefallen.

Konzipiert war eine weitere "Prachtstraße" (13) vom Wiener Platz zum Postplatz (14) bis zum Zwinger (15). Auch diese überdimensioniert breite Verkehrsstraße hätte u.a. den Abriss von Dutzenden Wohnhäusern an der Reitbahnstraße, allen Gebäuden am Anton- und Dippoldiswalder Platz und des gründerzeitlichen Postgebäudes am Postplatz (von 1830/32, Umbau: 1893 und 1912) bedeutet. Dafür wäre am Postplatz der Zwinger am Ende dieser Achse und Zielpunkt des Blicks um so "klarer" herausgestellt. Dennoch wurden die beengten Verkehrsverhältnisse im Zentrum einer Halbmillionen-Metropole den gewachsenen Infrastrukturanforderungen nicht mehr gerecht, wie das nebenstehende Foto zeigt.

[Eine zynische Ironie der Geschichte ist es, daß diese städtebaulichen Planungen der NS-Diktatur mit 100 Meter breiten Propagandastraßen nur wenige Jahre später in der undemokratischen DDR-Herrschaft unter sowjet-sozialistischen Vorzeichen an anderer Stelle (Ernst-Thälmann- Straße - quer durch die Altstadt) umgesetzt wurden. Der absolut gesetzte Weltbeglückungsanspruch der "rotlackierten Faschisten" (Kurt Schumacher, SPD-Vorsitzender) war in seinem demonstrativen Städtebau mit dem "zentralen Platz" mitten in der Altstadt und der Aufmarschachse verblüffend ähnlich der Vorgänger-Diktatur. Selbstverständlich ist das NS-Terrorsystem in seinem Ausmaß insgesamt in keiner Weise mit der DDR-Diktatur vergleich- bzw. relativierbar.]
Zum Zusammenhang der NS-Planungen mit den Nachkriesgplanungen zum Wiederaufbau Dresdens siehe: Durth, Werner; Düwel, Jörn; Gutschow, Niels: Architektur und Städtebau der DDR, in 2 Bdn. Ostkreuz, Personen, Pläne, Perspektiven; Aufbau, Städte, Themen, Dokumente 1998.

Die Ringstraße (16) (heute Dr. Külz Ring) sollte nach Südwesten bis zur ehemaligen Falkenbrücke verlängert werden (17), um eine bessere Anbindung zur Autobahn zu schaffen bzw. von dort eine monumentale Direktverbindung zum Gauforum zu schaffen. Auch diese Planungen wurden später in den 60er Jahren mit der Budapester Straße realisiert.

Am 18. April 1939 hat Gauleiter Mutschmann in einer Verordnung in Bezug auf die "Neugestaltung deutscher Städte" von 1937 vier verschiedene Schwerpunkte in Dresden ausgewiesen: den Bereich Rathausplatz/ Gauforum, Postplatz, Wiener Platz und auf Neustädter Seite den Carolaplatz. Darstellung
Vergleicht man diese Pläne mit der damals vorhandenen Stadt, erkennt man, wieviel Privat-Grundstücke damals zur Disposition gestanden hätten:


Stadtplan Dresden 1938, darüber in einer 2. Ebene gelegt: Umgestaltungspläne zur Gauhauptstadt mit Gauforum und großen Achsen (rot markiert), ohne Bereich Carolaplatz sowie den "Altadtsanierungen". Montage + Kennzeichnungen: Thomas Kantschew. Vergrößerung

Konkretisiert wurde das "Gesetz über die Neugestaltung deutscher Städte" vom 4. Oktober 1937 in allen Gauhauptstädten, so auch in Dresden durch eine Reihe von Verordnungen, die teilweise direkt auf einen „Führerbefehl“ zurückgingen bis in das Jahr 1942. Damit wurden u.a. Voraussetzungen geschaffen, die eine Grundstücks-Enteignung (mit und ohne Entschädigung) ermöglichten. Infos



Sportforum

Durch die Planungen zu dem sehr ausgedehnten Dresdner Gauforum am Rand der Innenstadt war der seit den 1920er-Jahren gewachsene Sportkomplex, bestehend aus Ilgen-Kampfbahn (heute Stadion Dynamo Dresden), Tennishalle, Gymnastikhalle und Freiluft-Bad, nicht mehr zu halten. Nach dem Abriss der Sportstätten sollten diese um ein vielfaches vergrößert ins Ostragehege verlegt werden, wo die Stadt noch genügend Freiflächen im Besitz hatte und man sportliche "Ertüchtigung" mit vorhandenen Grünflächen ergänzen wollte. Nach dem Vorbild des Berliner Reichssportfeldes sollte hier ein Sportforum entstehen mit einem Stadion für 75 000 Zuschauer, Schwimmstadion, Hockey-Stadion, Glockenturm und wiederum einem großen Aufmarschplatz. Der Haupteingang hätte direkt in der Flutrinne am Schlachthof gelegen und wäre bei starken Hochwasser unmittelbar betroffen gewesen.

Architekt Andrae: Entwurf zum Stadion im Ostra-Gehege (1937), Nicht ausgeführt
Architekt Paul Andrae: Entwurf zum Stadion im Ostra-Gehege (1937), Haupteingang zur Flutrinne. Nicht ausgeführt, Foto: Stadtplanungsamt

 


Dresden: "Die Neugestaltung der Innenstadt" des Stadtplanungsamtes Dresden, Entwurf: Paul Wolf, Ende 1938 (Ausschnitt)- Der ganze Plan vergrößert


Plan Neugestaltung Dresdens, Stadtmodell, Blick von Südosten, Entwurf: Paul Wolf 1938 (Ausschnitt) Vergrößerung - Eine geradlinige Achse sollte das Gauforum mit der Altstadt verbinden, an deren Endpunkt der Rathausturm gesetzt ist. Bildquelle: Christiane Wolf, Gauforen, Zentren der Macht, 1999


Plan Neugestaltung Dresdens, Stadtmodell, Blick von Süden, Entwurf: Paul Wolf 1939 (Ausschnitt) Vergrößerung - Mehrere breite Verkehrsachsen hätten die Altstadt durchkreuzt, so die Achse: Hauptbahnhof-Marienstraße-Postplatz / Hauptbahnhof, Petersburger Str, Rathenauplatz / Rathausvorplatz, Ring, Richtung neue Autobahn.
Bildquelle: Helmut Weihsmann, Bauen unterm Hakenkreuz, Architektur des Untergangs, Wien 1998

 


Dresden Prager Straße 1944. In der Vergrößerung erkennt man die durchaus nachvollziehbare Planung eines Straßendurchbruchs vom Hauptbahnhof zum Dipoldiswalder Platz.


"Dresden. Modell der Neugestaltung der Innenstadt"  1939, Blick von Südwesten, Vergrößerung, Foto: Stadtplanungs- und Hochbauamt, Siehe Mutschmann (2)


Teil der geplanten Abbruchschneisen von 1938 (rot markiert) am Ring, Georgplatz und neue Durchbruchstraße zum "Gauforum", Foto: 1929 Deutsche Fotothek, Kennzeichnungen:
Thomas Kantschew, Vergrößerung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


"Modell der Sportfeldes im Ostragehege"  1938, rechts unten: Schlachthofgelände, Vergrößerung, Foto: Stadtplanungs- und Hochbauamt, Siehe Mutschmann (2)

 

 

Neues Museumsforum

Eine Erweiterung des Museumsviertels war von Seiten der Stadt Dresden und der Kunstsammlungen (u.a. Hans Posse) schon seit Jahren geplant, da ein großteil der Bestände nicht gezeigt werden konnte. (Plan von Oskar Pusch 1914)
Nach einer veränderten Konzeption sollten deutsche Gemälde 1937 in einem Neubau neben der Sempergalerie präsentiert werden. Aber auch andere Sammlungen sollten umfangreiche Neubauten erhalten.
Die Planungen waren 1939 so weit fortgeschritten, dass drei Bereiche konkretisiert wurden: 1) das Gelände des ehemaligen Marstalls, 2) das Gelände der "Herzogin Garten" und 3) das ehemalige Packhofgelände an der Elbe. Gerade dieses war den nationalsozialistischen Planern ein Dorn im Auge, zu disparat stellte sich das Speicherviertel mit Schienenanschluss gleich hinter der Semperoper dar.
Unbedingt erhalten sollte die Reithalle von Weinlich von 1787 bzw. als "beherrschender Bau der Zwingerachse in Erscheinung treten" (Mutschmann, 2). Die Orangerie dagegen, ein Bau von Wolframsdorf von 1841, sei "baulich nahezu verfallen und (stünde) einem großzügigen Gesamtplan im Wege, also weichen" müsse. Der einzige einzubeziehende historische Bau an der Ostraalle wäre das enteignete Logenhaus der Freimauererloge gewesen (Ostraallee 15).
Der Zwingerteich sollte eine geometrische Form erhalten. Zur Elbe hin war ein neuer großer Forumsplatz geplant, den die neue verlängerte Rückseite der Semperoper (von Wilhelm Kreis 1939 begonnen) als östliche Platzkante bilden sollte. Ein Großteil der Gebäude des 19. Jahrhunderts wäre für diese Planung abgerissen worden. Vgl. Foto 1932 mit nebenstehender Skizze sowie Foto Reithalle 2017 (genutzt für die Theaterwerkstätten).

Die Gesamtkonzeption für diesen erweiterten Museumsbezirk stammte von NSDAP-Mitglied Fritz Fichtner, seit 1933 Leiter der Porzellansammlung und ab 1937 Leiter des Referates der gesamten Kunstpflege im Sächs. Ministerium für Volksbildung (3). Nach seinen Vorstellungen sollten im Herzogingarten Neubauten entstehen für die Museen für Tierkunde, "Rassenkunde" und Vorgeschichte. Auf dem Marstallgelände waren vorgesehen: die Museen für Mineralogie und Geologie, der Völkerkunde sowie ein  "Heeresmuseum", alles im Geist und in der Handschrift der neuen Machthaber.
Fichtner zog 1939 mit der propagandistisch aufgepeppten Porzellansammlung vom Johanneum in frei gewordene Räume des rundum erneuerten Zwingers, um Dresden das Barocklabel noch stärker anzukleben. Sein Motto "Barock zu Barock" sollte innerhalb einer "Museumsinsel" verwirklicht werden, die dann von einem erweiterten "Museumsgürtel" ergänzt werden sollte.
Den Generalbebauungsplan entwickelte der Leiter der Hochbaudirektion Herr Dutzmann. Involviert in die Planungen waren Gauleiter Mutschmann, Martin Hammitzsch (Durchführungsstelle) und Stadtbaurat Wolf. Auch Speer ließ sich die Pläne vorlegen.

Bemerkenswert sind u.a. Zeichnungen von Karl Paul Andrae
zur "Neugestaltung Speicherterrasse" vom November 1940.
Die Umsetzung dieser Planung hätte den kompletten Umbau des Areals zwischen Augustus- und Marienbrücke bedeutet, eine Aufgabe des Speicherviertels und u.a. den Abriss von Gebäuden, die gerade erst 10 Jahre vorher entstanden waren (Finanzamt, Wolf-Speicher).  Andrae entwickelte stattdessen eine neohistoristische Prachtarchitektur, die Assoziationen an den Markusplatz in Venedig weckte bzw. Anleihen von Sempers alten Dresdner Forumsplan nahm, dessen Idee einer offenen Agora jedoch pervertiert worden wäre zur Umsetzung der Gleichschaltung im Führerstaat.
Die repräsentative neue Elbfront war als Fortführung der Altstädter Silhouette gedacht mit großvolumigen Museen, frei stehenden Plastiken, Promenaden, Freitreppen, 50 m hohen Viktoriasäulen, eindrucksvollen Springbrunnenanlagen und einem weit sichtbaren ca. 80 m hohen Aussichtsturm. Nach dem "Endsieg" wäre ein nationalsozialistischer öffentlicher Raum entstanden mit Gebäuden, die neohistorisierend „Hochkultur“ behauptet hätten, während im besetzten Europa die Barbarei immer schrecklicher wütete.

Es existierten verschiedene Planungen zu diesem Areal. Sie wurden im Verlauf des Krieges nach 1940 eingestellt. Eine Finanzierung dieser hypertrophen Terrassenplanungen wäre neben Gauforum, Stadtumbau, Altstadtsanierung u. Sportareal völlig utopisch gewesen.


Entwurf "Neugestaltung Speicherterrasse" von Karl Paul Andrae. (Gestaltung des Elbufers zwischen Augustus- und Marienbrücke, Perspektive vom 19.11.1940), Vergrößerung. © Quelle: Stadtplanungsamt Dresden, Bildstelle

 

"Durchführungsstelle": Martin Hammitzsch

Neben und in der für die nationalsozialistische Verwaltungsstruktur typischen Konkurrenz zur Bauverwaltung wurde 1939 in Dresden durch Gauleiter Mutschmann eine "Durchführungsstelle" für die Neugestaltung der Stadt Dresden geschaffen. Die Leitung übernahm Martin Hammitzsch, Ministerialrat im Sächsischen Ministerium des Inneren und Leiter der Baugewerbeschule in Dresden. Hammitzsch (1878 - Selbstmord: 1945), der Schwager von Adolf Hitler, hatte 1907-09 die Dresdner Tabakmosche Yenidze gebaut.
Inwieweit die Planungen der Bauverwaltung unter P. Wolf mit der Durchführungsstelle von Hammitzsch konkurrierten, müssten weitere Forschungen klären.

Enteignungen

Zudem interessiert, ob 1938-1942 auf den Flächen für die bevorstehenden breiten Propagandastraßen bereits gezielte Aufkäufe von Grundstücken zwecks Abriss getätigt wurden.
Hat es in irgend einer Form von Seiten der Haus- und Grundstückseigentümer aber auch von der Denkmalpflge und der Stadtgesellschaft im Allgemeinen Abwehr oder subtilen "Widerstand" gegen die geplanten großflächigen Abrissmaßnahmen gegeben?

Insbesondere ist bisher die Enteigung jüdischen Grundeigentums im Zuge der "Arisierungen" für diese gewaltigen Baumaßnahmen noch nicht untersucht worden.


Grundlegende Planungsänderungen ab 1943

Bereits im Oktober 1943 sah die Prioritätensetzung im Bauwesen ganz anders aus. Generalbauinspektor Albert Speer, der als Rüstungsminister am 11.Oktober 1943 zusätzlich zum Chef des Arbeitsstabes für den Wiederaufbau bombenzerstörter Städte ernannte wurde, skizzierte Grundlagen einer neuen Planungskonzeption für den Wiederaufbau deutscher Großstädte:

„Keine hochkünstlerischen Ideen mehr, sondern Sparsamkeit; eine großzügige Verkehrsplanung, die dem Ersticken der Städte durch Verkehrsnot entgegentreten sollte, industrielle Herstellung von Wohnungen, Altstadtsanierungen und Geschäftshäuser in den Stadtzentren. Von monumentalen Großbauten war nicht mehr die Rede.“ (4)

Text: Thomas Kantschew


Literatur:

Christiane Wolf, Gauforen, Zentren der Macht. Zur nationalsozialistischen Architektur & Stadtplanung, Berlin 1999

Helmut Weihsmann, Bauen unterm Hakenkreuz, Architektur des Untergangs, Wien 1998

Der Dresdner Wettbewerb. Von: Baudirektor Hirschmann, In: Deutsche Bauzeitung DBZ, Heft 25, 19. Juni 1935
http://delibra.bg.polsl.pl/Content/14171/No25.pdf

(1) Ergebnisse der Reichstagswahlen 1933:
In Dresden erlangte die NSDAP 42,27%, die SPD 29,67 % und die KPD 12,41 %. Die Wahlbeteiligung lag bei 88,7 %.
Quelle:
Hrsg.: Pommerin, Reiner: Dresden unterm Hakenkreuz, Köln; Weimar; Wien 1998.

(Statistik zu den Wahlergebnissen der Reichstagswahlen am 06. November 1932 in Deutschland)

(2) Martin Mutschmann: Die städtebauliche Neugestaltung Dresdens, In: Deutscher Baumeister, Sept. 1939 (Heft 9)

(3) Fritz Fichtner: Denkschrift zum Museumsneubau in Dresden (Gesamtkonzeption für einen erweiterten „Museumsgürtel“, 1937, modifiziert 1941), Archiv der SKD, NL Posse 51
Eine Zusammenfassung über Fichtners Werdegang auf:
https://slub.qucosa.de (siehe PDF)

(4) Albert Speer: Erinnerungen. Frankfurt Main/ Berlin 1969, Neuauflage 1993, S. 328 + Fußnoten 11 und 12.
Der eigentliche Leiter dieses Arbeitsstabs für den Wiederaufbau bombenzerstörter Städte war Rudolf Wolters.


Neugestaltung der Umgebung des Zwingers (Entwurf), Vergrößerung (2)
schwarz: zu erhaltende Gebäude


Semperoper Erweiterung von Wilhelm Kreis 1938, hier: Modell Südseite, Vergröß