|
Architekt: |
|
Wilhelm Kreis
|
Künstlerische Gesamtleitung der II. Intern. Hygiene Ausstellung:
|
|
Paul Wolf (Stadtbaurat Dresden) |
Bauzeit: |
|
1927
- 30 |
Adresse
|
|
Lingnerplatz 1 |
Umbau: |
|
Peter Kulka & Partner (P.Sichau,
H. Walter)
Wettbewerb:
1999, Bauzeit: 2001- 05
|
Reform
im Kaiserreich: die gesunde Stadt als Ideal
Auf dem Höhepunkt deutscher Reformbewegung hatte der 32-jährige
sächsische Jungunternehmer Karl August Lingner in der ersten
"Deutschen Städte-Ausstellung" 1903 die Sonderschau "Bekämpfung der Volkskrankheiten"
mitorganisiert und dort sein populäres Mundwasser Odol vorgestellt.
Diese Schau, Vorläufer des 1905 gegründeten "Deutschen
Städtetages", wurde nicht ohne Grund zuerst in Dresden ausgetragen.
Die vorbildlich organisierte, aber auch außerordentlich wohlhabende
Großstadt hatte in deutschen Landen mehrfach für Aufsehen
gesorgt, damals gerade mit dem Städtischen Vieh- und Schlachthof von
Hans Erlwein (ab 1905/06), später dann 1909 mit der richtungsweisenden,
ersten deutschen Gartenstadt (Hellerau).
Jene ersten organisierten Städtenetzwerk-Aktivitäten
im Deutschen Kaiserreich sollten u.a. zunehmend gesundheitsgefährdende
Auswüchse rasant wachsender Industriestädte eindämmen
helfen. Die hoch verdichtete, schlecht durchlüftete Großstadt
war zu einem ernsthaften Problem geworden. Es ist bemerkenswert, daß
auf die lang anhaltende Kritik sozialdemokratischer Führer über
unhaltbare Zustände in den engen Arbeitervierteln verantwortlich
handelnde deutsche Industrielle mit neuen Initiativen reagierten.
Dresden bot sich mit seinem legendären Ruf einer "gesunden
Stadt" für solch weitreichende Reformschübe ideal
an, war aber auch Motor für ein weit über Deutschland hinaus
reichende internationalen Bewegung.
Strenge
Sachlichkeit in politisch unruhigen Zeiten
1911
initiierte besagter Dresdner "Odolkkönig" Lingner in
Dresden die I. Internationale Hygieneausstellung. Sie gilt
für die hygienische Volksaufklärung als bahnbrechend. Bereits
damals wurde in diesem Zusammenhang der Bau eines nationalen Museums
geplant. Durch den I. Weltkrieg, Inflation und Weltwirtschaftskrise
konnte der Bau jedoch erst 1927- 30 realisiert werden, da die II.
Internationale Hygiene Ausstellung 1930
wiederum in
Dresden ausgerichtet wurde.
Das Gebäude des Deutschen Hygiene Museums zählt zu den bemerkenswerten
Leistungen der 1920er Jahre nicht nur in Dresden. Es zeichnet sich
außen wie innen durch eine strenge, funktionale Architektur,
aber auch durch eine gewisse kühle Schönheit aus. Seinen
monumentalen Charakter erhält es durch den kubischen Mittelbau,
dessen Schauseite von einer Fensterfront mit vier dazwischen-liegenden
Pfeilern beherrscht wird. Diese umfassen die Eingangshalle und das
Vestibül. Oberhalb der fünf Eingangstüren treten aus
den Fenstern halbkreisförmige Balkone hervor. Um den Mittelbau
gruppieren sich ehrenhofartige zweigeschossige Flügelbauten,
die Büroräume und Werkstätten beherbergen. Sie verfügen
über Flachdächer und Fensterbänder im OG.
Das Deutsche Reich der Weimarer Republik präsentierte sich 1930 international mit diesem monumentalen Museum selbstbewußt, avandgardistisch im Stil der Neuen Sachlichkeit und zugleich archaisch in seiner klassischen Tempelstruktur.
Der demonstrativen Zurückhaltung in Farbe und Materialität widerspricht jedoch die verstörende triumphierende Geste von ausgestellter Monumentalität - vielleicht wirft aber gerade dieser Konflikt im Gebäude ein Schlaglicht auf die Situation Deutschlands im Jahr 1930 innerhalb Europas und der Welt.
DHM - Hofansicht 1930. In der Apsis befand sich, ikonenartig inszeniert, die
Figur "Der durchsichtige künstliche Mensch! in einer Spitzbogen-Nische.
Purismus,
weiße klare Flächen und zeittypische Halbkreise
mit Hofbegrünung - das sind durchaus Merkmale des Internationalen Stiles. Die strenge Symmetrie des Gebäudes zählt nicht unbedingt dazu.
Nach der Sanierung
2006 ist der Hof wieder öffentlich zugänglich, allerdings
ohne die Rekonstruktion der halbrunden Rotunde.
Streben nach Höhe
Die eindrucksvollen und zugleich den Menschen erdrückenden Eingangspfeiler
des DHMD's folgen einem zeittypischen Streben nach Höhe. In einer
ganzen Reihe von Hochhausentwürfen eiferte das Deutschland der
Weimarer Republik dem Drang der United States of Amerika zu turmhohen
Gebäuden nach. Besonders in der Wandelhalle des 1. OG kommt dieses
Streben nach erhöhender Erhabenheit zum Ausdruck.
Wilhelm Kreis
Vorgängerbau des DHMD war 1926
die Große Ausstellung für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge
und Leibesübungen in Düsseldorf (GeSoLei). Wilhelm Kreis, in diesen
Jahren Akademieprofessor in Düsseldorf, war für die Gesamtplanung
zuständig und errichtete einige der wichtigsten Gebäude: Ehrenhof
(heute Kunstpalast), Rheinhalle und Rheinterrasse. In diesen Bauten
spielten ebenso Monumentalität, eine Mischung aus Neoklassik und
Moderne sowie Elemente der neuen Sachlichkeit eine dominante Rolle.
Auch den schräg gestellten Steinsockel findet man bereits hier im
Ehrenhof. Infos:
www.baukunst-nrw.de
Statt dekonstruktivistischer Interventionen
klare Wiederherstellung des Geschichtsdenkmals
Ein 1994 geplanter und begonnener Umbau des Museums durch das Wiener
Architekturbüro Coop Himmelb(l)au schlug im südlichen Flügel
eine dekonstruktivistische, einschnitthafte Schneise. Ähnlich
modische Brüche waren an der Hauptfassade vorgesehen. Die Egozentrik dieses Entwurfes des Büros Himmelb(l)au von Wolf D.
Prix hätte dem denkmalgeschützten Hygiene-Museum irreversible
Schäden zugefügt.
Nach der veränderten, finanziell abgespecken Sanierungsvariante
wurde dieses Konzept, welches die eindrucksvolle Neoklassik wichtigtuerisch
beeinträchtigt hätte, fallengelassen. So vollendete Peter
Kulka in einem respektvollen Umbau die Sanierung.
Im offenen Hof ist 2006 auch wieder die Bronzefigur der Hygiea, Verkörperung
der altgriechischen Göttin der Gesundheit (1929- 31 von Karl Albiker),
aufgestellt worden.
Innenarchitektur aus den 1950ern nicht gewertschätzt
Der große Kongreß-und Konzertsaal von Alexander Künzer
aus dem Jahre 1957/58 für 1100 Plätze (siehe Foto rechts)
ist in den Jahren nach 2000 völlig entkernt worden, da eine Erhaltung
angeblich zu teuer gewesen wäre. Damit ist einer der originellsten
Raumschöpfungen der Nachkriegszeit, bis 1970 Heimstätte
der Dresdner Philharmonie, zerstört. Schade, hätte man doch
hier die deutsch-deutsche Architektur-Kommunikation vor der Mauer
1961 studieren können, als eine Dresdner Delegation die Stuttgarter
Liederhalle für Anregungen inspizierte. Aber am Beginn des neuen
Jahrhunderts um 2000 schien der spannungsgeladene Schwung des Saales
mit seiner hufeisenförmigen Decke und den Neonlicht-Vouten nicht
mehr ins Konzept der Annäherung an eine vermeintlich rechteckige
Moderne zu passen.
Candida Höfer hat den alten Saal kurz vorm Abriss noch mal fotografiert.
Peter Kulka entwarf den neuen Konzert- und Kongreßsaal - in Fortführung des streng rechtwinkligen, symmetrischen Formenkonzeptes von Wilhelm Kreis, während sich der Künzer-Saal von 1958 ja bewußt der Symmetrie durch lediglich einen aufsteigenen Rang entzogen hatte.
Kulkas neuer Saal
wurde im Oktober 2010 eingeweiht. Der streng kubische Raum strahlt nun ganz in Rot und verzichtet fast komplett auf zusätzliche Einbauten.
Link zum Umbau:
www.peterkulka.de
|
|
Deutsches Hygiene
Museum 1930
Das Haus 1932 - ohne Schriftzug über dem monumentalen Portal.
Der sanierte Mittelbau
des DHMD im Frühjahr 2004
Dekonstruktivistischer
Einschnitt vom Österreichen Büro Coop Himmelb(l)au 2002, Foto TK
2004
Coop
Himmelb(l)au: zerschnitt die Fassade des Seitenflügels in ganzer
Höhe für einen neuen Eingang. Foto: Feb.07
Gläserner Mann 1930 in einer runden Nische des DHM mit
Spitzbogenportal
Vestibül im 1. OG, Aufn.: Postkarte 1930
Kongreß-und Konzertsaal
1958
bewußt keine Symmetrie: einseitig geschwungene Empore 1958
Kongreß-und Konzertsaal
2010
Kleiner Saal
von Peter Kulka, 2010
|
|
Frühe
Wandfresken von berühmten deutschen Künstlern
Es sind allerdings einige Veränderungen aus der Zeit der DDR,
die während der knapp 41 Jahre ihres Bestehens an dem Namen der
Institution "Deutsches Hygiene Museum" festhielt, wieder
ins Blickfeld gerückt. Besonders das frühe Wandfresko "Lebensfreude"
des Welt-Künstlers Gerhard Richter interessiert Besucher. Richter's
Diplomarbeit von 1956 an der Dresdner HfbK, 1979 überstrichen,
wurde 1994 an einigen Stellen zwecks Begutachtung freigelegt und
dann wieder übermalt. 2024 erfolgt die Freilegung eines kompletten
Abschnittes des Bildes (Meldung
DHM)
Desweiteren gab es am Haupteingang 4 Sgraffiti von Rudolf Sitte und
Rudolf Lipowsky, ebenfalls Diplomarbeiten unter Leitung von Prof.
Lohmar, Hochschule für Bildende Künste Dresden. Sie sind jetzt nicht
mehr einsehbar. Bereits zur Erbauungszeit wurde in diesem
modernen Gebäude dezidiert an Kunst am Bau gedacht. Prof. Otto Dix
(Akademie der Künste in Dresden) wurde 1929 beauftragt, ein Wandbild
für den Erfrischungsraum des Hygiene-Museums zu malen (Foto).
Das dreiteilige Fresko, 1930 fertig gestellt, wurde von den
Nationalsozialisten 1933 zerstört. Erhalten hat sich der originalgroße
Karton.
Infos (PDF) dazu.
Der ehemalige Schriftzug am Haupteingang "Deutsches Hygiene Museum"
wurde erst nach Beendigung der Internationalen Ausstellung angebracht und entsprach nicht dem originalen Zustand von
1930. Deshalb wurde er bei der Sanierung nicht wieder installiert.
Architektur mit hohem idealistischen Pathos
Aus der Homepage des DHMD:
"Selbst für eine an gebauten Schätzen reiche Stadt wie Dresden
war es ungewöhnlich, was da am 16. Mai 1930 festlich eröffnet
wurde: Das Deutsche Hygiene-Museum, ein von seiner Architektur wie
von seiner Konzeption her ganz eigenwilliges Haus. Während in den
klassischen Museen die Präsentation von Kulturgütern und
Raritäten ferner Zeiten und Länder gepflegt wurde, stand
in dieser Einrichtung die Volksbildung, die gesundheitliche Aufklärung
im Vordergrund. Die Konzeption spiegelte somit die Wissenschafts-begeisterung
des 19. Jahrhunderts wider, aber auch die Demokratisierung von Bildung
und Wissen, wie sie für die Anfangszeiten der Weimarer Republik typisch
war.
Das Hygiene Museum als Finale barocker Blickbeziehung
Was am Rande des Großen Gartens, an städtebaulich herausragender
Stelle mit einer Achsenbeziehung zum Palais im Großen Garten entstanden
war, überzeugte nicht nur durch Monumentalität, sondern durch
eine architektonische Formensprache, die für den Architekten, die
Intentionen der Auftraggeber und die Zeitläufe gleichermaßen
Zeugniswert hat.
Hygiene Museeum Wetbewerb 1920
Wilhelm Kreis, Architekt in immerhin vier deutschen Reichen und Republiken,
war nicht der erste, der sich mit dem Entwurf eines Hygiene-Museums
befaßt hatte. 1920 wurde für einen nicht minder prominenten Bauplatz
in Zwingernähe ein Wettbewerb ausgeschrieben. Unter den Teilnehmern
befanden sich Hans Scharoun, Paul Bonatz, Ludwig Wirth und die Gebrüder
Hans u. Wassili Luckhardt, nicht jedoch unter den Preisträgern.
Weil das stattliche Kapital des Museums durch die Inflation nahezu
ganz verloren ging, zerschlugen sich diese ersten Planungen.
Entwurf für ein nationales Hygiene Museum, hinter
dem Zwinger (Block um den ehemaligen königlichen Marstall, zwischen
Ostra- Allee, Kleiner Packhofstraße und Devrient-Straße) von Hans
Luckhardt, 1920
Entwurf Wassili Luckhardt, 1920, alle 49 Entwürfe u.a. von
Scharoun, Bonatz, Fritz Höger (pdf)
Der zweite Anlauf war erfolgreich: Nach dem Erwerb des Baugrundes
an der Bürgerwiese wurde Wilhelm Kreis als Architekt eingesetzt,
gegen Konkurrenten wie den Erbauer des Hellerauer Schauspielhauses,
Heinrich Tessenow oder Max Hans Kühne, der für das Schauspielhaus
verantwortlich zeichnete. Kreis war im Deutschen Reich kein Unbekannter
mehr: Die allerorten entstandenen Bismarck-Türme gehen auf eine
frühe Wettbewerbsarbeit Kreis’ zurück. In Dresden selbst
baute er die Augustusbrücke neu und arbeitete an mehreren Villen, in
Meißen entwarf er den neuen Bahnhof. Mit der Rheinhalle in Düsseldorf
(1926) hatte Kreis schon Erfahrungen im Entwurf großer Kulturbauten
erworben.
Die Grundsteinlegung für das Haus am Lingnerplatz erfolgte schließlich
im Oktober 1927. Was bis zur Eröffnung 1930 mit rund 160.000
Kubikmetern umbautem Raum entstand, zeigt die Zwiespältigkeit
von Baukünstler und Zeit: Sphinxhaft gelagert durch Kopf- und
Flügelbauten, symmetrisch, mit einer monumentalen Kolonnadenreihe
am Haupteingang, in den Ausstellungsräumen jedoch lichtvoll,
offen, mit expressiven Rundfenstern zum umgebenden Park. Während
die Schaufassade ihre Weiterentwicklung nicht zuletzt im Monumentalstil
der faschistischen Architektur (nicht nur in Deutschland) fand, zeigte
das Museumsinnere die Verwandtschaft zum "International Style"
- das Dessauer Bauhaus war nicht nur ideell, sondern durch vielfältige
Gestaltungsaufträge und Detaillösungen am Bau beteiligt.
Noch einmal sollte das Deutsche Hygiene-Museum im Mittelpunkt des
Kreis’schen Schaffens stehen: Fünf Jahre nach der Fertigstellung
des Deutschen Hygiene-Museums gewann Kreis einen Wettbewerb zur Erbauung
des Dresdner Gau-Forums (Unkorrekt! Der erste Preis ging an A.
M. Schmidt aus Stuttgart. Anm. des Autors - siehe Gauforum),
Kreis wurde später pers. von Hitler beauftragt.) Das gigantomanische
Hallen- und Aufmarschgelände sollte durch ein mehrfach vergrößertes
Hygiene-Museum zum historischen Innenstadtkern hin abgeschlossen werden.
Zur Bauausführung kam es jedoch nicht, wie bei fast allen der in den
deutschen "Gaustädten" geplanten Foren."
(Text von Klaus Vogel von 2002 aus der Homepage des Museums - unter
"Architektur")
Hygiene Museum Dresden, links: Grosser Saal, rechts: Kleiner Saal, Postkarte um 1930, Vergrößerung
|
|
Gerhard Richter
(Aspirant): Diplomarbeit bei Prof. Heinz Lohmar im Vortragssaal
des DHM 1956, Aufn. 1962 / später
überstrichen (hier Ausschnitt)
Saniertes Treppenhaus - 2004
von Peter Kulka wiederhergestelltes Foyer
Glasmosaikfenster im Treppenhaus, Entwurf: Richard Morgenthal (Dresden) 1929 (ausgeführt aber erst 1948-50). Irritierende Heilserwartung: "Kein Reichtum gleicht dir, o Gesundheit"
- nur wenige Jahre vor "Erbgesundheit", "Rassenhygiene" und Euthanasie, Foto: 2012 T.Kantschew, Vergrößerung
Hygiea,
Verkörperung der altgriechischen Göttin der Gesundheit. Original: 1929- 31 von
Karl Albiker. 1993 neu geschaffen von Wilhelm Landgraf und dann dezentral im Hof aufgestellt.
|
|
Hygiene
Museum mitten im Garten seiner Königlichen Hoheit
Das Deutsche Hygiene Museum steht direkt auf dem ehemaligen Gelände
des weitläufigen Gartens des Prinzen Johann Georg. Für den
Bau des ambitionierten, international ausstrahlenden Museums wurde
einst ein großer Teil der historischen Gartenanlage des Chevalier
de Saxe geopfert. Sie stammte von Johann August Giesel, einem Schüler
Krubsacius', der sie ab
1783
als ersten Dresdner Park vom barocken in einen englischen Landschaftsgarten
umgestaltete. Das spätbarocke- frühklassizistische Palais
der Sekundogenitur von Krubsacius / Nicolai in der Langen Gasse 24
(heute Zinzendorfstraße) blieb unangetastet, wurde im Feb.
1945 zerstört. Dresdner Stadtplaner hatten sich auf
dieses Grundstück nach langen Diskussionen geeinigt. Die Nähe
zur grünen Lunge des Großen Gartens und zum alten Ausstellungsgelände
sowie das vorhandene Stadion (dort schon seit 1896!) waren wohl ausschlaggebende
Argumente für die Zustimmung zu diesem sensiblen Bauplatz.
Eine wesentliche Leitlinie dieses umstrittenen Standortes lag im Reiz
der Verlängerung der Hauptachse vom Großen Garten als große
stadtplanerische Geste. Am Ende der Achse thront seither die weiße
Moderne. Diese äußerst suggestive Gestaltung unterstrich
die Bedeutung, welche man dem pädagogischen Anliegen des Institutes
in der sich rasch verändernden Welt des frühen 20. Jahrhunderts
einräumte.
Die historische Gartenanlage wird 1930 umgebaut.
Leider hat sich von dem seinerzeit berühmten englischen Landschaftsgarten
in der Pirnaischen Vorstadt mit der Grotte, einer Eremitage und der
künstlichen antikisierende Ruine im Stil der Empfindsamkeit des
späten 18. Jahrhundert fast nichts erhalten. Die Gartenanlage
um das neue Museum wurde in Zuge der Fertigstellung 1930 anläßlich
der II. Internationalen Hygiene-Ausstellung zum öffentlichen
Volks-park umgestaltet und zu Ehren des Dresdner Bürgermeister
von 1915-31 in "Blüher Park" umbenannt.
Über einen Bezug des neuen Gartenkonzeptes zum Hygiene-museum
ist wenig bekannt. Im Vordergrund stand wohl in erster Linie die Volkserholung.
Dazu wurde das Wegesystem stark vereinfacht, der künstliche Wasserlauf
zugeschüttet und Spielplätze eingerichtet. Den kleinen Tempel
nutzte man als Kindergarten.
2006- 08 Teilrekonstruktion der Gartenanlage
Der historische Garten ist als öffentlicher Stadtpark heute immer
noch in seinen Ausmaßen wahrnehmbar. 2006 bis 08 ist die bedeutsame
Barockanlage rehistorisiert worden. Infos:
www.greenkeys-project.net
|
|
Das DHMD wurde
1929 recht rüde mitten in die historische Gartenanlage des ersten
Dresdner Landschaftsgartens nach englischen Vorbild von 1783 ohne
viel Rücksicht hineingebaut. (Stadtplan vor 1945)
Künstliche Ruine im Blüherpark, März 1954, später
abgebrochen.
Johann-Georgen-Garten (Blüher Park), Ansicht mit gerodeter, planierter
Fläche und Plastiken. Im Hintergrund: rechter, vorderer Flügel
des neuen Hygiene Museums, 1929
Vase (Sandstein) 1750 und barocke Figuren aus dem Garten der Sekundogenitur,
Aufnahme: 1946
|
|
Literatur:
Paul Wolf: Die Internationale Hygiene-Ausstellung in Dresden 1930,
In: Deutsche Bauzeitung Nr. 57-58, 16.07.1930 (Text
pdf)
Das Deutsches Hygiene-Museum 1911 - 1990, Michel Sandstein Verlag,
2003.
Sabine Schulte: Das Deutsche Hygiene-Museum in Dresden von Wilhelm Kreis. Biographie eines Museums der Weimarer Republik. Diss. Bonn 2001, Kompletter Text (pdf)
Deutsches Hygiene-Museum Dresden
Baumaßnahmen des Freistaates Sachsen
von 1999 bis 2011, Herausgeber:
Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement, 2011,
(Text pdf)
Katja Hartmann: Der Blüherpark in Dresden - Untersuchung zur Anlagengeschichte
und gartendenkmalpflegerische Entwicklungskonzeption unter Betrachtung
zukünftiger Nutzungsansprüche. Diplomarbeit (Studiengang Landespflege),
Dresden 2001.
Robert Wuttke (Hg.): Die deutschen Städte. Geschildert nach den
Ereignissen der ersten Städteausstellung in Dresden 1903, 2 Bde,
Leipzig 1904.
100 Jahre Deutscher Städtetag. 1905 - 2005, Motto:
"Die Zukunft liegt in den Städten",
Homepage
Erstklassige aktuelle Fotos vom DHM nach der Sanierung von Thomas Mayer sowie weiterer Werke von Wilhelm Kreis
Was ist der Mensch?
Homepage des Deutschen Hygiene Museums Dresden (Architektur):
www.dhmd.de
Das DHMD ist nach Gemäldegalerie und Grünem Gewölbe zur Zeit das
dritt beliebteste Museum der Stadt. Die ausgezeichneten
Sonderausstellungen des "Museum vom Menschen" brechen oft alle
Besucherrekorde.
Gestalterische Parallelen:
Schauspiel Essen - Grillo Theater, errichtet 1892 in Neobarock, nach
Kriegszerstörung in den 50er Jahren umgebaut.
ungebrochen neoklassizistisch: Nachkriegsmoderne in
Westdeutschland.
Vergrößerung
und mehr
|
|
erkennbar: Dachcafe und Sonnenschirme auf dem Dach des rechten Gebäudeflügels.
Im Hintergrund: die Altstadt mit neuem Rathaus - 1910 fertiggestellt.
Hygienemuseum - Fassade aus Glas und Stein: April 05
Grundriss Hygienemuseum 1. OG, Quelle: DBZ 1930, Vergrößerung
|
|
Antike Anleihen:
"Achilleion" Leipzig (Messehalle der Technischen Messe)
1923/24 von Oskar Pusch & Carl Krämer, 1927/28 auch als Sportpalast
zu nutzende Halle hergerichtet, nach 1945 als "sowjetischer Pavillon"
umgebaut, 2005 wurden die originalen Pfeiler wieder freigelegt. Oskar
Pusch hat übrigens in Leipzig einige Jahre früher 1914-16
die "Deutsche Bücherei" gebaut. Auch das Eierkühlhaus
an der Berliner Oberbaumbrücke (1928-29, 1940).
Text: Thomas Kantschew 2004 / 2008 u. fortlaufend
|
|
Krankenhaushalle auf der Internat. Hygieneausstellung von Paul Wolf, Quelle: DBZ 1930, Vergrößerung.
Die Halle (60 x 48 m) blieb nach Beendigung der Ausstellung 1931 für
etliche Jahre noch für verschiedene Zwecke erhalten, u.a. als
interimistische Stadthalle. |