Deutsches Hygiene Museum
Monumentale Mischung aus Neoklassik und triumphierender Moderne

 

Architekt: Wilhelm Kreis
Künstlerische Gesamtleitung der II. Intern. Hygiene Ausstellung:
Paul Wolf (Stadtbaurat Dresden)
Bauzeit:   1927 - 30
Adresse
Lingnerplatz 1
Umbau: Peter Kulka & Partner (P.Sichau, H. Walter)
Wettbewerb: 1999, Bauzeit: 2001- 05


Reform im Kaiserreich: die gesunde Stadt als Ideal

Auf dem Höhepunkt deutscher Reformbewegung hatte der 32-jährige sächsische Jungunternehmer Karl August Lingner in der ersten "Deutschen Städte-Ausstellung" 1903 die Sonderschau "Bekämpfung der Volkskrankheiten" mitorganisiert und dort sein populäres Mundwasser Odol vorgestellt. Diese Schau, Vorläufer des 1905 gegründeten "Deutschen Städtetages", wurde nicht ohne Grund zuerst in Dresden ausgetragen. Die vorbildlich organisierte, aber auch außerordentlich wohlhabende Großstadt hatte in deutschen Landen mehrfach für Aufsehen gesorgt, damals gerade mit dem Städtischen Vieh- und Schlachthof von Hans Erlwein (ab 1905/06), später dann 1909 mit der
richtungsweisenden, ersten deutschen Gartenstadt (Hellerau).

Jene ersten organisierten Städtenetzwerk-Aktivitäten im Deutschen Kaiserreich sollten u.a. zunehmend gesundheitsgefährdende Auswüchse rasant wachsender Industriestädte eindämmen helfen. Die hoch verdichtete, schlecht durchlüftete Großstadt war zu einem ernsthaften Problem geworden. Es ist bemerkenswert, daß auf die lang anhaltende Kritik sozialdemokratischer Führer über unhaltbare Zustände in den engen Arbeitervierteln verantwortlich handelnde deutsche Industrielle mit neuen Initiativen reagierten. Dresden bot sich mit seinem legendären Ruf einer "gesunden Stadt" für solch weitreichende Reformschübe ideal an, war aber auch Motor für ein weit über Deutschland hinaus reichende internationalen Bewegung.


Strenge Sachlichkeit in politisch unruhigen Zeiten

1911 initiierte besagter Dresdner "Odolkkönig" Lingner in Dresden die I. Internationale Hygieneausstellung. Sie gilt für die hygienische Volksaufklärung als bahnbrechend. Bereits damals wurde in diesem Zusammenhang der Bau eines nationalen Museums geplant. Durch den I. Weltkrieg, Inflation und Weltwirtschaftskrise konnte der Bau jedoch erst 1927- 30 realisiert werden, da die II. Internationale Hygiene Ausstellung 1930 wiederum in Dresden ausgerichtet wurde.

Das Gebäude des Deutschen Hygiene Museums zählt zu den bemerkenswerten Leistungen der 1920er Jahre nicht nur in Dresden. Es zeichnet sich außen wie innen durch eine strenge, funktionale Architektur, aber auch durch eine gewisse kühle Schönheit aus. Seinen monumentalen Charakter erhält es durch den kubischen Mittelbau, dessen Schauseite von einer Fensterfront mit vier dazwischen-liegenden Pfeilern beherrscht wird. Diese umfassen die Eingangshalle und das Vestibül. Oberhalb der fünf Eingangstüren treten aus den Fenstern halbkreisförmige Balkone hervor. Um den Mittelbau gruppieren sich ehrenhofartige zweigeschossige Flügelbauten, die Büroräume und Werkstätten beherbergen. Sie verfügen über Flachdächer und Fensterbänder im OG.
Das Deutsche Reich der Weimarer Republik präsentierte sich 1930 international mit diesem monumentalen Museum selbstbewußt, avandgardistisch im Stil der Neuen Sachlichkeit und zugleich archaisch in seiner klassischen Tempelstruktur. Der demonstrativen Zurückhaltung in Farbe und Materialität widerspricht jedoch die verstörende triumphierende Geste von ausgestellter Monumentalität - vielleicht wirft aber gerade dieser Konflikt im Gebäude ein Schlaglicht auf die Situation Deutschlands im Jahr 1930 innerhalb Europas und der Welt.

Hygiene Museum 1930 - Hofansicht / Bildquelle: DHMD
DHM - Hofansicht 1930. In der Apsis befand sich, ikonenartig inszeniert, die Figur "Der durchsichtige künstliche Mensch! in einer Spitzbogen-Nische.

Purismus, weiße klare Flächen und zeittypische Halbkreise mit Hofbegrünung - das sind durchaus Merkmale des Internationalen Stiles. Die strenge Symmetrie des Gebäudes zählt nicht unbedingt dazu.
Nach der Sanierung 2006 ist der Hof wieder öffentlich zugänglich, allerdings ohne die Rekonstruktion der halbrunden Rotunde.


Streben nach Höhe

Die eindrucksvollen und zugleich den Menschen erdrückenden Eingangspfeiler des DHMD's folgen einem zeittypischen Streben nach Höhe. In einer ganzen Reihe von Hochhausentwürfen eiferte das Deutschland der Weimarer Republik dem Drang der United States of Amerika zu turmhohen Gebäuden nach. Besonders in der Wandelhalle des 1. OG kommt dieses Streben nach erhöhender Erhabenheit zum Ausdruck.


Wilhelm Kreis

Vorgängerbau des DHMD war 1926 die Große Ausstellung  für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen in Düsseldorf (GeSoLei). Wilhelm Kreis, in diesen Jahren Akademieprofessor in Düsseldorf, war für die Gesamtplanung zuständig und errichtete einige der wichtigsten Gebäude: Ehrenhof (heute Kunstpalast), Rheinhalle und Rheinterrasse. In diesen Bauten spielten ebenso Monumentalität, eine Mischung aus Neoklassik und Moderne sowie Elemente der neuen Sachlichkeit eine dominante Rolle. Auch den schräg gestellten Steinsockel findet man bereits hier im Ehrenhof.
Infos: www.baukunst-nrw.de



Statt dekonstruktivistischer Interventionen
klare Wiederherstellung des Geschichtsdenkmals

Ein 1994 geplanter und begonnener Umbau des Museums durch das Wiener Architekturbüro Coop Himmelb(l)au schlug im südlichen Flügel eine dekonstruktivistische, einschnitthafte Schneise. Ähnlich modische Brüche waren an der Hauptfassade vorgesehen. Die Egozentrik dieses Entwurfes des Büros Himmelb(l)au von Wolf D. Prix hätte dem denkmalgeschützten Hygiene-Museum irreversible Schäden zugefügt.
Nach der veränderten, finanziell abgespecken Sanierungsvariante wurde dieses Konzept, welches die eindrucksvolle Neoklassik wichtigtuerisch beeinträchtigt hätte, fallengelassen. So vollendete Peter Kulka in einem respektvollen Umbau die Sanierung.

Im offenen Hof ist 2006 auch wieder die Bronzefigur der Hygiea, Verkörperung der altgriechischen Göttin der Gesundheit (1929- 31 von Karl Albiker), aufgestellt worden.


Innenarchitektur aus den 1950ern nicht gewertschätzt

Der große Kongreß-und Konzertsaal von Alexander Künzer aus dem Jahre 1957/58 für 1100 Plätze (siehe Foto rechts) ist in den Jahren nach 2000 völlig entkernt worden, da eine Erhaltung angeblich zu teuer gewesen wäre. Damit ist einer der originellsten Raumschöpfungen der Nachkriegszeit, bis 1970 Heimstätte der Dresdner Philharmonie, zerstört. Schade, hätte man doch hier die deutsch-deutsche Architektur-Kommunikation vor der Mauer 1961 studieren können, als eine Dresdner Delegation die Stuttgarter Liederhalle für Anregungen inspizierte. Aber am Beginn des neuen Jahrhunderts um 2000 schien der spannungsgeladene Schwung des Saales mit seiner hufeisenförmigen Decke und den Neonlicht-Vouten nicht mehr ins Konzept der Annäherung an eine vermeintlich rechteckige Moderne zu passen. Candida Höfer hat den alten Saal kurz vorm Abriss noch mal fotografiert.
Peter Kulka entwarf den neuen Konzert- und Kongreßsaal - in Fortführung des streng rechtwinkligen, symmetrischen Formenkonzeptes von Wilhelm Kreis, während sich der Künzer-Saal von 1958 ja bewußt der Symmetrie durch lediglich einen aufsteigenen Rang entzogen hatte.
Kulkas neuer Saal wurde im Oktober 2010 eingeweiht. Der streng kubische Raum strahlt nun ganz in Rot und verzichtet fast komplett auf zusätzliche Einbauten.
Link zum Umbau: www.peterkulka.de

Deutsches Hygiene Museum - 1930. Links das Johann-Georg Palais und der umgestaltete, ehemalige englische Landschaftsgarten
Deutsches Hygiene Museum 1930Das Haus 1932 - ohne Schriftzug über dem monumentalen Portal.  Während der Nazizeit gabs dort ein Hakenkreuz.
Das Haus 1932 - ohne Schriftzug über
dem monumentalen Portal.
Der sanierte Mittelbau des DHMD im Frühjahr 2004
Der sanierte Mittelbau des DHMD im
Frühjahr 2004
Dekonstruktivistischer Einschnitt vom Österreicher Büro Coop Himmelb(l)au  2002
Dekonstruktivistischer Einschnitt vom
Österreichen Büro Coop Himmelb(l)au 2002, Foto TK 2004



Coop Himmelb(l)au: zerschnitt die Fassade des Seitenflügels in ganzer Höhe für einen neuen Eingang. Foto: Feb.07

Gläserner Mann 1930 in einer runden Nische des DHM mit Spitzbogenportal

Vestibül im 1. OG, Aufn.: Postkarte 1930
Deutesches Hygiene Museum Dresden  - Neuer Kongress-Saal 1966
 Kongreß-und Konzertsaal 1958


bewußt keine Symmetrie: einseitig
geschwungene Empore 1958



Kongreß-und Konzertsaal 2010


Kleiner Saal von Peter Kulka, 2010

Frühe Wandfresken von berühmten deutschen Künstlern

Es sind allerdings einige Veränderungen aus der Zeit der DDR, die während der knapp 41 Jahre ihres Bestehens an dem Namen der Institution "Deutsches Hygiene Museum" festhielt, wieder ins Blickfeld gerückt. Besonders das frühe Wandfresko "Lebensfreude" des Welt-Künstlers Gerhard Richter interessiert Besucher. Richter's Diplomarbeit von 1956 an der Dresdner HfbK, 1979 überstrichen, wurde 1994 an einigen Stellen zwecks Begutachtung freigelegt und dann wieder übermalt. 2024 erfolgt die Freilegung eines kompletten Abschnittes des Bildes (Meldung DHM)
Desweiteren gab es am Haupteingang 4 Sgraffiti von Rudolf Sitte und Rudolf Lipowsky, ebenfalls Diplomarbeiten unter Leitung von Prof. Lohmar, Hochschule für Bildende Künste Dresden. Sie sind jetzt nicht mehr einsehbar.
Bereits zur Erbauungszeit wurde in diesem modernen Gebäude dezidiert an Kunst am Bau gedacht. Prof. Otto Dix (Akademie der Künste in Dresden) wurde 1929 beauftragt, ein Wandbild für den Erfrischungsraum des Hygiene-Museums zu malen (Foto). Das dreiteilige Fresko, 1930 fertig gestellt, wurde von den Nationalsozialisten 1933 zerstört. Erhalten hat sich der originalgroße Karton. Infos (PDF) dazu.

Der ehemalige Schriftzug am Haupteingang "Deutsches Hygiene Museum" wurde erst nach Beendigung der Internationalen Ausstellung angebracht und entsprach nicht dem originalen Zustand von 1930. Deshalb wurde er bei der Sanierung nicht wieder installiert.


Architektur mit hohem idealistischen Pathos

Aus der Homepage des DHMD:
"Selbst für eine an gebauten Schätzen reiche Stadt wie Dresden war es ungewöhnlich, was da am 16. Mai 1930 festlich eröffnet wurde: Das Deutsche Hygiene-Museum, ein von seiner Architektur wie von seiner Konzeption her ganz eigenwilliges Haus. Während in den klassischen Museen die Präsentation von Kulturgütern und Raritäten ferner Zeiten und Länder gepflegt wurde, stand in dieser Einrichtung die Volksbildung, die gesundheitliche Aufklärung im Vordergrund. Die Konzeption spiegelte somit die Wissenschafts-begeisterung des 19. Jahrhunderts wider, aber auch die Demokratisierung von Bildung und Wissen, wie sie für die Anfangszeiten der Weimarer Republik typisch war.

Das Hygiene Museum als Finale barocker Blickbeziehung

Was am Rande des Großen Gartens, an städtebaulich herausragender Stelle mit einer Achsenbeziehung zum Palais im Großen Garten entstanden war, überzeugte nicht nur durch Monumentalität, sondern durch eine architektonische Formensprache, die für den Architekten, die Intentionen der Auftraggeber und die Zeitläufe gleichermaßen Zeugniswert hat.

Hygiene Museeum Wetbewerb 1920

Wilhelm Kreis, Architekt in immerhin vier deutschen Reichen und Republiken, war nicht der erste, der sich mit dem Entwurf eines Hygiene-Museums befaßt hatte. 1920 wurde für einen nicht minder prominenten Bauplatz in Zwingernähe ein Wettbewerb ausgeschrieben. Unter den Teilnehmern befanden sich Hans Scharoun, Paul Bonatz, Ludwig Wirth und die Gebrüder Hans u. Wassili Luckhardt, nicht jedoch unter den Preisträgern. Weil das stattliche Kapital des Museums durch die Inflation nahezu ganz verloren ging, zerschlugen sich diese ersten Planungen.


Entwurf für ein nationales Hygiene Museum, hinter dem Zwinger (Block um den ehemaligen königlichen Marstall, zwischen Ostra- Allee, Kleiner Packhofstraße und Devrient-Straße) von Hans Luckhardt, 1920


Entwurf Wassili Luckhardt, 1920, alle 49 Entwürfe u.a. von Scharoun, Bonatz, Fritz Höger  (pdf)

Der zweite Anlauf war erfolgreich: Nach dem Erwerb des Baugrundes an der Bürgerwiese wurde Wilhelm Kreis als Architekt eingesetzt, gegen Konkurrenten wie den Erbauer des Hellerauer Schauspielhauses, Heinrich Tessenow oder Max Hans Kühne, der für das Schauspielhaus verantwortlich zeichnete.
Kreis war im Deutschen Reich kein Unbekannter mehr: Die allerorten entstandenen Bismarck-Türme gehen auf eine frühe Wettbewerbsarbeit Kreis’ zurück. In Dresden selbst baute er die Augustusbrücke neu und arbeitete an mehreren Villen, in Meißen entwarf er den neuen Bahnhof. Mit der Rheinhalle in Düsseldorf (1926) hatte Kreis schon Erfahrungen im Entwurf großer Kulturbauten erworben.

Die Grundsteinlegung für das Haus am Lingnerplatz erfolgte schließlich im Oktober 1927. Was bis zur Eröffnung 1930 mit rund 160.000 Kubikmetern umbautem Raum entstand, zeigt die Zwiespältigkeit von Baukünstler und Zeit: Sphinxhaft gelagert durch Kopf- und Flügelbauten, symmetrisch, mit einer monumentalen Kolonnadenreihe am Haupteingang, in den Ausstellungsräumen jedoch lichtvoll, offen, mit expressiven Rundfenstern zum umgebenden Park. Während die Schaufassade ihre Weiterentwicklung nicht zuletzt im Monumentalstil der faschistischen Architektur (nicht nur in Deutschland) fand, zeigte das Museumsinnere die Verwandtschaft zum "International Style" - das Dessauer Bauhaus war nicht nur ideell, sondern durch vielfältige Gestaltungsaufträge und Detaillösungen am Bau beteiligt.

Noch einmal sollte das Deutsche Hygiene-Museum im Mittelpunkt des Kreis’schen Schaffens stehen: Fünf Jahre nach der Fertigstellung des Deutschen Hygiene-Museums gewann Kreis einen Wettbewerb zur Erbauung des Dresdner Gau-Forums (Unkorrekt! Der erste Preis ging an A. M. Schmidt aus Stuttgart. Anm. des Autors - siehe Gauforum), Kreis wurde später pers. von Hitler beauftragt.) Das gigantomanische Hallen- und Aufmarschgelände sollte durch ein mehrfach vergrößertes Hygiene-Museum zum historischen Innenstadtkern hin abgeschlossen werden. Zur Bauausführung kam es jedoch nicht, wie bei fast allen der in den deutschen "Gaustädten" geplanten Foren." (Text von Klaus Vogel von 2002 aus der Homepage des Museums - unter "Architektur")



Hygiene Museum Dresden, links: Grosser Saal, rechts: Kleiner Saal, Postkarte um 1930, Vergrößerung



Gerhard Richter (Aspirant): Dipolmarbeit bei Prof. Lohmar von 1956, später überstrichen
Gerhard Richter (Aspirant): Diplomarbeit
bei Prof. Heinz Lohmar im Vortragssaal des DHM 1956, Aufn. 1962 / später überstrichen (hier Ausschnitt)

Saniertes Treppenhaus  - März 2004
Saniertes Treppenhaus - 2004 von Peter Kulka wiederhergestelltes Foyer
von Peter Kulka wiederhergestelltes Foyer Glasmosaikfenster im Treppenhaus von 1930
Glasmosaikfenster im Treppenhaus,
Entwurf: Richard Morgenthal (Dresden)
1929 (ausgeführt aber erst 1948-50).
Irritierende Heilserwartung: "Kein
Reichtum gleicht dir, o Gesundheit" - nur wenige Jahre vor "Erbgesundheit", "Rassenhygiene" und Euthanasie, Foto: 2012 T.Kantschew, Vergrößerung

Hygiea, Verkörperung der altgriechischen Göttin der Gesundheit. Original: 1929- 31 von Karl Albiker. 1993 neu geschaffen von Wilhelm Landgraf und dann dezentral im Hof aufgestellt.





II. Internationale Hygiene Ausstellung 1930- 31 in Dresden


Ausstellungsgelände westlich der Lennéstraße - 1930 Vergrößerung
. Außer der "Ilgenkampfbahn" (Stadion) und dem Arnhold-Bad sind alle temporären Gebäude 1933 für den Bau des Gauforums an dieser Stelle abgerissen worden.
Nazi-Deutschland hatte sich bereits am 14.Okt. 1933 aus der Internationalen Staatengemeinschaft mit dem Austritt aus dem Völkerbund verabschiedet.

Eine Reihe außerordentlich interessanter Bauten sind extra für diese Ausstellung temporär entstanden, so u.a. der Glockenspielturm des "Dresdner Anzeiger" von Arnulf Schelcher (Mitarbeit Fritz Meister) - und ebenfalls von Schelcher die Hallen am Brunnenhof mit Otto Schubert.


Glockenspielturm - Vergrößerung des Aquarells



Ausstellungshalle für Geschosswohnungen. Entwurf: Baurat Lübbert


Entwurf für ein Musterschulgebäude von der innovativen sächsischen Holzbaufirma Christoph & Unmack In Niesky / Lausitz - Foto: 1930 auf dem Ausstellungsgelände Nähe Lennéstraße


 


Staatenhaus am Platz der Nationen- Haupteingang - darinnen u.a. die Hygiene Organisation des Völkerbundes
Entwurf: Wilhelm Kreis


Ausstellungsgebäude "Die gesunde Stadt" am Turmplatz - die Affinität zu Turmbauten ist um 1930 auch in Dresden groß. Siehe auch: Chlorodont-Turm von 1930 auf dem Gelände.


Haus des "Dresdner Anzeigers" mit Glockenspiel-Turm auf der Internationalen Hygiene-Ausstellung 1930


Anläßlich der Internationalen Hygiene Ausstellung 1930 in Dresden wurden neben dem bekannten Museum auch eine Reihe kleinerer, temporärer Bauten im Stil des Bauhauses errichtet, so u.a. dieses "Haus eines Schwerkriegsbeschädigten" an der Lennéstraße - mit zeitypischer Garten- gestaltung (Steingarten).

 

Hygiene Museum mitten im Garten seiner Königlichen Hoheit

Das Deutsche Hygiene Museum steht direkt auf dem ehemaligen Gelände des weitläufigen Gartens des Prinzen Johann Georg. Für den Bau des ambitionierten, international ausstrahlenden Museums wurde einst ein großer Teil der historischen Gartenanlage des Chevalier de Saxe geopfert. Sie stammte von Johann August Giesel, einem Schüler Krubsacius', der sie ab 1783 als ersten Dresdner Park vom barocken in einen englischen Landschaftsgarten umgestaltete. Das spätbarocke- frühklassizistische Palais der Sekundogenitur von Krubsacius / Nicolai in der Langen Gasse 24 (heute Zinzendorfstraße) blieb unangetastet, wurde im Feb. 1945 zerstört. Dresdner Stadtplaner hatten sich auf dieses Grundstück nach langen Diskussionen geeinigt. Die Nähe zur grünen Lunge des Großen Gartens und zum alten Ausstellungsgelände sowie das vorhandene Stadion (dort schon seit 1896!) waren wohl ausschlaggebende Argumente für die Zustimmung zu diesem sensiblen Bauplatz.

Eine wesentliche Leitlinie dieses umstrittenen Standortes lag im Reiz der Verlängerung der Hauptachse vom Großen Garten als große stadtplanerische Geste. Am Ende der Achse thront seither die weiße Moderne. Diese äußerst suggestive Gestaltung unterstrich die Bedeutung, welche man dem pädagogischen Anliegen des Institutes in der sich rasch verändernden Welt des frühen 20. Jahrhunderts einräumte.


Die historische Gartenanlage wird 1930 umgebaut.

Leider hat sich von dem seinerzeit berühmten englischen Landschaftsgarten in der Pirnaischen Vorstadt mit der Grotte, einer Eremitage und der künstlichen antikisierende Ruine im Stil der Empfindsamkeit des späten 18. Jahrhundert fast nichts erhalten. Die Gartenanlage um das neue Museum wurde in Zuge der Fertigstellung 1930 anläßlich der II. Internationalen Hygiene-Ausstellung zum öffentlichen Volks-park umgestaltet und zu Ehren des Dresdner Bürgermeister von 1915-31 in "Blüher Park" umbenannt.
Über einen Bezug des neuen Gartenkonzeptes zum Hygiene-museum ist wenig bekannt. Im Vordergrund stand wohl in erster Linie die Volkserholung. Dazu wurde das Wegesystem stark vereinfacht, der künstliche Wasserlauf zugeschüttet und Spielplätze eingerichtet. Den kleinen Tempel nutzte man als Kindergarten.

2006- 08 Teilrekonstruktion der Gartenanlage

Der historische Garten ist als öffentlicher Stadtpark heute immer noch in seinen Ausmaßen wahrnehmbar. 2006 bis 08 ist die bedeutsame Barockanlage rehistorisiert worden. Infos: www.greenkeys-project.net

Das Hygiene Museum im englischen Landschaftsgarten -  Stadtplan vor 1945
Das DHMD wurde 1929 recht rüde mitten in die historische Gartenanlage des ersten Dresdner Landschaftsgartens nach englischen Vorbild von 1783 ohne viel Rücksicht hineingebaut. (Stadtplan vor 1945)


Künstliche Ruine im Blüherpark, März 1954, später abgebrochen.


Johann-Georgen-Garten (Blüher Park), Ansicht mit gerodeter, planierter Fläche und Plastiken. Im Hintergrund: rechter, vorderer Flügel des neuen Hygiene Museums, 1929


Vase (Sandstein) 1750 und barocke Figuren aus dem Garten der Sekundogenitur, Aufnahme: 1946

 

Literatur:

Paul Wolf: Die Internationale Hygiene-Ausstellung in Dresden 1930, In: Deutsche Bauzeitung Nr. 57-58, 16.07.1930
(Text pdf)

Das Deutsches Hygiene-Museum 1911 - 1990, Michel Sandstein Verlag, 2003.

Sabine Schulte: Das Deutsche Hygiene-Museum in Dresden von Wilhelm Kreis. Biographie eines Museums der Weimarer Republik. Diss. Bonn 2001, Kompletter Text (pdf)

Deutsches Hygiene-Museum Dresden
Baumaßnahmen des Freistaates Sachsen
von 1999 bis 2011, Herausgeber:
Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement, 2011, (Text pdf)

Katja Hartmann: Der Blüherpark in Dresden - Untersuchung zur Anlagengeschichte und gartendenkmalpflegerische Entwicklungskonzeption unter Betrachtung zukünftiger Nutzungsansprüche. Diplomarbeit (Studiengang Landespflege), Dresden 2001.

Robert Wuttke (Hg.): Die deutschen Städte. Geschildert nach den Ereignissen der ersten Städteausstellung in Dresden 1903, 2 Bde, Leipzig 1904.

100 Jahre Deutscher Städtetag. 1905 - 2005, Motto:
"Die Zukunft liegt in den Städten", Homepage

Erstklassige aktuelle Fotos vom DHM nach der Sanierung von Thomas Mayer sowie weiterer Werke von Wilhelm Kreis



Was ist der Mensch?


Homepage des Deutschen Hygiene Museums Dresden (Architektur): www.dhmd.de
Das DHMD ist nach Gemäldegalerie und Grünem Gewölbe zur Zeit das dritt beliebteste Museum der Stadt. Die ausgezeichneten Sonderausstellungen des "Museum vom Menschen" brechen oft alle Besucherrekorde.


Gestalterische Parallelen:
Schauspiel Essen - Grillo Theater, errichtet 1892 in Neobarock, nach Kriegszerstörung in den 50er Jahren umgebaut.


ungebrochen neoklassizistisch: Nachkriegsmoderne in
Westdeutschland.
Vergrößerung und mehr

 


erkennbar: Dachcafe und Sonnenschirme auf dem Dach des rechten Gebäudeflügels. Im Hintergrund: die Altstadt mit neuem Rathaus - 1910 fertiggestellt.


Hygienemuseum - Fassade aus Glas und Stein: April 05


Grundriss Hygienemuseum 1. OG, Quelle: DBZ 1930, Vergrößerung


Antike Anleihen: "Achilleion" Leipzig (Messehalle der Technischen Messe) 1923/24 von Oskar Pusch & Carl Krämer, 1927/28 auch als Sportpalast zu nutzende Halle hergerichtet, nach 1945 als "sowjetischer Pavillon" umgebaut, 2005 wurden die originalen Pfeiler wieder freigelegt. Oskar Pusch hat übrigens in Leipzig einige Jahre früher 1914-16 die "Deutsche Bücherei" gebaut. Auch das Eierkühlhaus an der Berliner Oberbaumbrücke (1928-29, 1940).

 

Text: Thomas Kantschew 2004 / 2008 u. fortlaufend


Krankenhaushalle auf der Internat. Hygieneausstellung von Paul Wolf, Quelle: DBZ 1930, Vergrößerung