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Architekt: Künstlerische Oberleitung Paul
Bonatz
(+ Ingenieure
der obersten Bauleitung RAB)
Kooperationspartner: Brückendezernat der OBK
Dresden
Bauzeit: 1934 - 36
"Im Mai 1933 veröffentlichte der auto- und technikbegeisterte
Adolf Hitler ein Programm zum Bau von Autobahnen, gemäß dem sich ein
dichtes Netz von vierspurigen Autostraßen über Deutschland spannen
sollte. Verschwiegen wurde, daß die detaillierten Pläne zum Autobahnbau
aufgrund der Motorisierung in der Weimarer Republik im wesentlichen
aus den zwanziger Jahren stammten. Das erste Autobahn-teilstück Deutschlands
war im August 1932 zwischen Köln und Bonn freigegeben worden (begonnen:
1929). Im Herbst 1934 befanden sich rund 1.500 Autobahnkilometer im
Bau." (Textquelle: Reichsautobahnen (RAB) - www.dhm.de)
1931 und 1932 hatte es bereits internationale Autobahnkongresse gegeben,
die dem Traum europäischer Verflechtung und Gemeinschaft den
Weg ebnen sollten.
Deutschlands Weg in die Moderne führt durch die NS-Zeit.
Die elbquerende, hochwassersichere Autobahnbrücke bei Dresden,
errichtet 1936, war eine moderne, schmucklose Stahlbinderkonstruktion
auf Granitpfeilern. Sie bildete einen Teil der Autobahnstrecke Berlin-
Dresden- Chemnitz (Richtung Hof).
Das Moderne zeigte sich in der offen gelegten Konstruktion, die entgegen
der repräsentativen (Brücken-) Architektur in den Jahrzehnten
vor 1900 in keiner Weise mit Fassaden-verblendungen oder Schmuck verkleidet
worden war. Ästhetisch ordnete sich das sachliche Erscheinungsbild
ganz dem Konstruktiven und den technischen Anforderungen unter. (Leider
ist dieser Zustand bei einer Modernisierung 1995-98 beseitigt worden.)
Während eine Menge Autobahnbrücken der NS-Zeit Formen einer
römisch imperialen Antike einen rezeptiven Gestus zeigten, waren
in Dresden bei einer flachen Überquerung des Elbtals keine großen
Bögen nötig. Das ingenieurtechnische Bauwerk blieb ganz
auf den technisch-funktionalen Ausdruck beschränkt, der allerdings
auch eine zeithistorische Aussage beinhaltet.
Allerdings sah die künstlerisch-gestalterische Oberleitung von
Paul Bonatz in der Planung einen gewaltigen Pfeiler auf Altstädter
Seite vor, hervorgehoben durch eine Plastik.
Eine Besonderheit stellt die ingeniertechnische Konstruktion dar,
die in der normalen Breite des Elbflussbettes ohne einen weiteren
Pfeiler auskommt und dadurch den Schiffsverkehr vor etwaigen Risiken
eines Zusammenpralls entlastet.
Zudem wurde die Brücke im Respekt vor der landschaftlichen Situation
erbaut, die einen Durchblick durch das transparent und leicht wirkende
Stahlfachwerk ermöglichte (siehe 3. Bild von oben). Zudem wurde
auf jede Art von vertikaler Betonung verzichtet.
Autobahnen und Automobile
Die großangelegte Infrastrukturmaßnahme des Autobahn-
baus stieß bei vielen technikaufgeschlossenen Deutschen durchaus
auf positive Akzeptanz. Man störte sich nicht an der Modernität
großzügig- breiter Straßen für hohe Geschwindigkeiten,
die Raum und Zeit schneller überbrückten. Im Gegenteil:
die innovative deutsche Autobahn als „Pionier massenhaften Schnellverkehrs“
(Gerhard Zwerenz) fand im allgemeinen Zustimmung.
Eine außerordentlich geschickte Propaganda der NS-Zeit wußte
zudem latente Modernisierungsängste in konservativen Teilen der
deutschen Bevölkerung in Optimismus umzuwandeln (bzw. offene
Kritik gänzlich auszuschalten). So feierte man natürlich auch
die Erfolge des Konstruktionsbüros Ferdinand Porsche mit seiner Rennwagen-Konstruktion.
Diese legendären Fahrzeuge von Daimler-Benz in Stuttgart, ausgestattet
mit 16-Zylinder-Kompressor-Triebwerk und Leichmetallkarosserie, sind
als „Silberpfeile“ berühmt geworden und zählten Ende der 30er
Jahre zu den schnellsten Autos der Welt. Kaum wesentlich langsamer
waren die Automobile der 1932 gegründeten "Auto Union AG"
aus Zwickau/ Zschopau/ Chemnitz.
Rasante Beschleunigung: Highways in Deutschland
Für schnelle Autos brauchte man eine gute Hardware.
Da konnten keine Pferdewagen mehr auf der Piste laufen.
Die NAG (Nationale Automobilgesellschaft, Berlin Oberschöneweide,
1901-1934), wie viele andere Fahrzeugherstellter
drängten: eine kreuzungsfreie Autobahn mußte endlich kommen.
Kritische Einwände von Intellektuellen und Philosophen (z.B.
Heidegger) über die Entwurzelung des Menschen durch das Diktat
einer sich verselbständigenden Technik konnten von der deutschen
Wirtschaft weggeschoben werden. Die
NS-Ideologie, widersprüchlich in vielerlei Hinsicht, hatte allerdings
ursprünglich gegen diese Entwicklung der Technikdominanz ankämpfen
wollen, ist dann jedoch seltsamerweise zu ihrem Motor geworden.
Technischer Fortschritt und Modernität
Sei es das neue Autobahn- bzw. Flugsteckennetz, sei es die gesamte
Vernetzung im Telefon-Kommunikationsbereich, sei es die flächendeckende
Einführung weiterer neuer Medien (Rundfunk) oder die Erfindung
des 1. Computers der Welt durch Konrad Zuse im November 1937 - Deutschland
preschte in den 30er und 40er Jahren mit Volldampf in die moderne
Welt, während die NS-Regierung gleichzeitig ein pseudoarchaisches,
völkisch-nationalistisches Brauchtum inszenierte.
Viele jüdische und links orientierte Architekten wurden in die
Emigration getrieben. Der überwiegende Teil deutscher Architekten
blieb jedoch im Land und versuchte die Ideale des Neuen Bauens mit
national- völkischen Orientierungen unter einen Hut zu bringen,
wie man es z.B. an den Autobahnraststätten und Tankstellen des
Dritten Reiches erkennen kann. (Gerade hier trat der Widerspruch von
entgrenzender Beschleunigung und Festhalten an ortsgebundenen, heimatgesättigt-
traditionellen Elementen besonders krass zutage.)
Eine Vielzahl ehemaliger Mitarbeiter des Dessauer Bauhauses fanden
im NS-Staat in den Bereichen Industriebau, Werbung oder Design reichlich
Arbeits- möglichkeiten, so u.a. Ernst Neufert, Schüler von
Gropius mit seinem Forschen zur Normung, das er in der 1936 heraus-gebrachten
"Bauentwurfslehre" veröffentlichte.
Als weitere Architektennamen seien nur stellvertretend der Dresdner
Stadtbaurat Paul Wolf, Ernst Sagebiel oder Heinrich Wolff genannt.
Ihre vor 1933 angeeigneten Bauprinzipien, wie kein Eklektizismus,
Klarheit des Grundrisses aus dem Zweck heraus und starke Schmuckreduziertheit,
haben sie später auch in ihren Bauten der NS-Zeit als signifikante
Merkmale eingesetzt, wie an der Neugestaltung des Neustädter
Elbufers in Dresden, am Flughafen Tempelhof oder der Reichsbank in
Berlin (1934-39).
Nach der Wende 1989: schneller, moderner, effizienter
Während die DDR in den 60er Jahren eine neue Autobahn von Berlin
nach Rostock baute, wurde der Autobahnverkehr Richtung Bayern trotz
Bundeszuschüsse aus West- deutschland keiner herausragenden Wartung
zuteil.
Durch das Ende der deutschen bzw europäischen Teilung 1989 und
mit enorm angestiegenen motorisiertem Verkehr entschied sich die Bundesbaubehörde
1995- 98 für die Abnahme der rostenden Stahlträger und verbreiterte
die Dresdner Brücke mit leistungsfähigem Spannbeton von
24 auf 43 Meter. Leider ist dadurch die imposante Fachwerk-binderkonstruktion
der 30er Jahre als technisches Baudenkmal nicht mehr nachvollziehbar.
(Schließlich hatte das Bauwerk im Frühjahr 1945 die alliierten
Bombenangriffe und die Selbstzerstörungsorgien der Deutschen
Wehrmacht überstanden.) Allerdings verwendete man für die
Erweiterung der Brücke bzw. den Neubau die gleichen abgerundeten
Granitpfeiler, was den Bezug zum regionalen Baumaterial erneuerte.
Der Brückenkörper besteht aus einem stählernen Doppelhohlkasten.
Link zur jetzigen Brücke auf: www.brueckenweb.de
Carl
Bonatz (1877- 1956)
Sein Schwerpunkt waren ab den 1930er Jahren Brückenbauwerke: so z.B.
die Hohenwarthe, Elbebrücke 1935; Donaubrücke Leipheim 1935; Elbebrücke
Hohenwarthe, Magdeburg 1935; Elbebrücke Dessau 1935; Limburg, Lahntalbrücke
1937; Rodenkirchener Brücke (1941); Reichsautobahnbrücke Waschmühltal
bei Kaiserslautern.
Friedrich
Tamms (1904- 1980):
Tamms wurde 1935 zusammen mit Bonatz, zum beratenden Architekten der
Organisation Todt, zuständig für die Reichsautobahn, ernannt. In dieser
Funktion war Tamms verantwortlich für Brücken und Hochbauten.
Zeitquelle:
Adolf Hitler zum Modernen in der Architektur:
"Der gegebene Zweck, das konstruktive Können der Gegenwart
sowie das technische Material sind die Elemente, aus denen und mit
denen der wahrhaft schöpferische Geist seine Werke gestaltet,
ohne Angst, das gefundene und überlieferte Gut der Vorfahren
zu verwenden, mutig genug, das selbstgefundene Neue mit ihm zu verbinden!
(...)
Es ist ebenso unerträglich, einer modernen Maschinenfabrik oder
einem Elektrizitätswerk griechische oder gotische Formenelemente
äußerlich aufkleben zu wollen. (...)
Die moderne Technik zwang den Menschen, eigene Wege zu suchen. Aus
Zweck und Material wurden nun Formen gefunden und entwickelt, die
in der Ästhetik vieler Maschinen z.B. mehr griechischen Geist
atmen als manches schlecht nachempfundene Bauwerk. Dieses gewaltige
Neugebiet hat als Neuland die geistigen Denkmäler eines ebenso
modernen wie ästhetisch befriedigenden Schaffens aufzuweisen.
Von hier aus geht über die neuartigen Baustoffe wie Stahl, Eisen,
Glas, Beton usw. die Entwicklung zwangsläufig einen den Bauzwecken
und diesen Materialien entsprechenden Weg."
(aus einer Rede zur deutschen Kunst am 1. September
1933 auf der Kulturtagung des Parteitages, in: "Reden des Führers.
Politik und Propaganda Adolf Hitlers 1922-1945, dtv dokumente, München
1967)
Literatur:
Bautechnik 1935 S. 473 ff und 1936 S. 69 ff
Erhard
Schütz / Eckhard Gruber: Mythos Reichsautobahn - Bau und Inszenierung
der "Straße des Führers" 1933-1941, Berlin 1996
Die Planung neuer, nur dem Kraftverkehr dienender Straßen. In:
Von Sachsens Bauschaffen und technischer Wirtschaft. Festschrift zum
Deutschen Architekten - und Ingenieurtag Dresden 1926. (Dort wird
im Detail schon die Planung von 17 Meter breiten Schnellautostraßen
beschrieben, einschliesslich der Kleeblatt-Auffahrtschleifen.)
Riccardo Bavaj: Die Ambivalenz der Moderne im Nationalsozialismus: eine Bilanz der Forschung, München 2003. (der gesamte Text)
Winfried Nerdinger (Hg.): Bauhaus-Moderne im Nationalsozialismus.
Zwischen Anbiederung und Verfolgung, München 1993.
Bonatz, Paul + Wehner, Bruno: Reichsautobahnen - Tankstellen, Berlin
1942
Paul Bontatz 1877-1956, Hrsg. Wolfgang Voigt, Roland May, Ausstellungskatalog des DAM Frankfurt Main 2010
Borscheid, Peter: Das Tempo-Virus. Eine Kulturgeschichte der Beschleunigung,
Frankfurt Main 2004
Linktipp:

Vgl. Zukunftsvisionen in den USA 1939
To New Horizons 1940
Definitive document of pre-World War II futuristic utopian thinking, as envisioned by General Motors.
Documents the "Futurama" exhibit in GM's "Highways and Horizons" pavilion at the World's Fair, New York 1939
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Brücke 1936 mit Stahlbinderkonstruktion,
unten: 2005. Bei der Verbreiterung 1995 wurde die schlanke Form der
30er-Jahre Pfeiler und deren Material - roter Granit - beibehalten.
Die Schmalseiten sind jedoch nicht mehr abgerundet, sondern leicht
angespitzt. Das Bollwerkhafte wurde durch diese elegantere Lösung,
die einen Schiffsbug assoziiert, abgemildert.
In der Mitte der Flusspfeiler ließ man ein Großteil der
Altsubstanz von 1936 stehen (erkennbar an den helleren Stellen).


 
    
Autobahn bei Dresden
1938 (nähe Mobschatz)

Autobahn an der Jungen Heide in DD- Nord, 1939
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