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Architekt: |
Alfred Gottfried, Georg Wolf und Kollektiv |
Kunst am Bau: |
Wandbild
von Dietmar Gubsch (1967) Pfeiler-Keramikverkleidung im
Vestibül und ehem. Speisesaal: Eduard Gerhardt Claus |
Bauzeit: |
1958-1960 |
Adresse: |
Gerhart-Hauptmann-Str. 1 |
Umbau: |
2012-13 entstanden 60 Appartements zwischen 45 und 65 qm.
Bauherr: USD Immobilien |
Dominierendes 8-geschossiges Bürogebäude mit Galerie-
geschoss. 400 Arbeitsplätze (ehemals in der DDR), Speise-
saal 100 Plätze, spätere Ergänzung: Festsaal 120 Plätze
und Rechenstation. Stahlbeton-Skelettmontagebau, Raster-fassade mit
Feldverkleidung in Meißner Keramik, Sandsteingiebel. Wandbild
von Dietmar Gubsch
2012 Umbau für Eigentumswohnungen
Städtebauliche Situation
Das Gebäude ist in seiner präzisen Geometrie und kubischen
Form städtbaulich bewußt auf Weitwirkung vom Lenné
Platz aus komponiert worden. Mit Pathos erhebt es sich zwischen den
rechts und links entlang fließenden Hauptstraßen.
Dazwischen wurde, ganz im Sinne des
Städtebau der Moderne, ein gestalteter Grünraum mit Licht
und Sonne komponiert, der nur einige wenige Bäume mit einbezog,
um den Bau um so freier wirken zu lassen.
Disneypark der Moderne: Rekonstruktion des Kugelhauses
Diese bewußte städtebauliche Gestaltung der frühen
Nachkriegs-Moderne in Dresden drohte mit einer geplanten Rekonstruktion
des Kugelhauses, welches 1928 an anderer Stelle (Ausstellungsgelände)
errichtet worden war, zunichte zu werden. Die Grundbesitzgesellschaft Lenneplatz wollte mit dem Büro STUHR ARCHITEKTEN das einstige Bürohaus zu altersgerechten Wohnungen
und betreuten Wohnen umbauen. Direkt davor sollte auf der Freifläche
die Kugelhaus-Replik entstehen. Wäre das Kuriosum wirklich gebaut
worden, hätten sich die beiden Gebäude allerdings städtebaulich
gegenseitig in ihrer Wirkung erheblich beeinträchtigt.
Visualisierungen
Noch dazu wäre die blaue Farbe des markanten Bürohauses durch ein Allerwelts-Grau ersetzt worden
Die heroische Moderne wäre durch das beliebige Zusammen-puzzeln von
Solitären ihrer freistehenden Erhabenheit beraubt. Auch das Kugelhaus
stand ja ehemals singulär auf einem größeren Platz,
in dessen Hintergrund sich lediglich die Folie des grünen Großen
Gartens abhob. Das Projekt zerschlug sich 2010.
Kunst
am Bau - modern und fast abstrakt
Erstaunlich modern und abstrakt gibt sich das Sgraffito-Wandbild am
separaten Flachtrakt von 1967. Dieses Werk des damaligen Dresdner
Kunststudenten Gubsch steht keineswegs für einen platten sozialistischen
Realismus, sondern für ein kreatives Menschenbild in reduzierten Flächen
und Formen. Die suggestive Wirkung läßt sogar Assoziationen
zu Picasso aufkommen. Begleitende Professoren waren Prof. Lohmar und
Prof. Hesse (Fachbereich: Wandmalerei). Eine Freude, dass diese Kunst
am Bau nun - nach jahrelanger Verwahrlosung - saniert wird.

Foto: Jan. 2007
Leichtigkeit der Moderne
Markant
und dennoch filigran erhebt sich das gefaltete Eingangsdach auf schlanken
Stützen. Hier, auf einem erhöhtem Niveau durch 6 Stufen,
schwingt die Leichtigkeit der Moderne nach der jahrelanger Schwere
und Monumentalität der "Nationalen Tradition".
Zur den unaufdringlichen und dennoch besonderen Details gehören
die vier hervorstehenden Fenster im ersten Obergeschoss und das lichtdurchflutete
Treppenhaus.
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Fotos: Jan. 2007
Thomas Kantschew

Elegant geschwungenes Treppenhaus
Vergrößerung
Wandbild am Nebengebäude

Foto: November 2009


Aufn. 2011, Vergrößerung |
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Aber auch Keramik-Pfeilerverkleidungen im ehemaligen Speisesaal des
Blauen Hauses wie im Eingangsbereich vom Dresdner Grafiker und ehem.
Meißner Porzellanmaler Eduard Gerhardt Claus (1906- 1966) legen
Zeugnis ab vom künstlerischen Anspruch des Gebäudes. Seine abstrakten
Flächengestaltungen mit feinen Reliefarbeiten und polychromer
Farbgestaltung künden von der Kraft der Moderne durch
geometrische Ausdrucksformen. Fotos und Entwürfe sind seit 2023 im
Eduard Gerhardt Claus-Archiv in der Akademie der Künste Berlin
(Baukunstarchiv) aufbewahrt.
Denkmalschutz
Das ehemalige Zentrale Forschungsinstitut für Arbeit wurde vom
Freistaat Sachsen unter Denkmalschutz gestellt.
Die Ausführung des
Hauptgebäudes zählt zu den qualitativ hochwertigen Beispielen
der „DDR-Moderne“. Funktionale,
moderne Prinzipien sind hier zu Anwendung gekommen, die man an ahnlichen
Forschungsbauten der DDR wieder vewendet hatte.
Baugeschichte
1954/ 55 wurden noch Varianten in sehr traditioneller Form und Grundrisslösung diskutiert. Ende 1956 kam dann ein großer Bruch von herkömmlichen Lösungen hin zu entschieden moderneren Formen.
Ansichten des Entwurfs mit elf Etagen vom 11.07.1957
Ansichten des Hauptgebäudes vom Großen Garten aus, Zeichnung vom 05.04.1955. Hier deutlich zu erkennen: traditionalistischer Ansatz

Grundriss des Erdgeschosses vom Hauptgebäude, Zeichnung vom 06.05.1955 in traditioneller Symmetrie. Diese Variante wurde zugunsten eines moderneren Entwurfs fallen gelassen. Zeichnungen bei: Stephanie Lehmann, das Blaue Haus.
Architekt Alfred Gottfried
(* 1924 in Würnitz, Österreich; † 2023 in Darmstadt)
Interessant ist, dass der
Architekt Alfred Gottfried während der Bauarbeiten zu diesem Hochhaus
1958 die DDR verließ. Nicht zuletzt muss es gerade in dieser
anfänglichen Bauphase zu Auseinandersetzungen gekommen sein. Alfred
Gottfried "litt unter den Zwängen" und verliess die DDR Richtung
Westen. Er folgte dem Angebot seines ehemaligen Professors Ochs als
wissenschaftlicher Assistent in die TU Berlin (West). Der Bau des
Dresdner Zentralen Forschungsinstitutes für Arbeitsschutz mußte bis
1960 ohne Alfred Gottfried fertig gestellt werden.
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Pfeilerverkleidung im Eingangsbereich,
Entwurf: Eduard Gerhardt Claus (1961), Fotos: 2007 Thomas Kantschew
 Pfeilerverkleidung im
Speisesaal, Entwurf: E.G. Claus (1961), nicht mehr vorhanden.
Vergrößerung, Originalfoto: Claus-Archiv in der Akademie der Künste
Berlin |
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Sanierung und Denkmalschutz 2012 / 2013
Bei Sanierung und Umbau zu Eigentumswohnungen durch USD werden die Grundrisse des ehemaligen Bürohauses verändert. Die Baumaßnahmen seien jedoch "intensiv mit dem Denkmalschutz abgestimmt", erklärte Thomas Dathe, der Geschäftsführer der USD. Trotz neuer Dämmschichten
soll(t)en die charakteristischen blauen Fliesen an der Fassade erhalten werden, ebenso die Sandsteinplatten an den Stirnseiten.
Nach abgeschlossenem Umbau im Sommer 2013 lassen sich jedoch eine Menge gravierender Veränderungen registrieren, die Zweifel an einer vorbildlichen denkmalgeschützten Sanierung aufkommen lassen. So wurden
für neu angebrachte Balkone Platten aus dem Raster entfernt. Die gesamte Plattenbau-Fassade wurde mit Wärmedämm-Material überdeckt und verputzt. Diese Fassadenteile erhielten dann in den Quadratfeldern einen monochromen blauen Anstrich, ein Farbton, der vom ehemaligen Zustand mit differenziert blauer Meißner Keramik abweicht. Die Rasterstruktur ist zudem nicht mehr in einem eleganten Verhältnis von Platten und Stahlbetonraster, sondern von gröberen Maßen.
Besonders krass kommt der Umbau um die gestalterisch ehemals anspruchsvollen, heraus geschobenen Fenster im 1. OG zum Tragen. Diese wurde nun bis zum EG verlängert, was den exponierten Eindruck dieser Fenster abwertet. Zusätzlich stören die direkt darüber "aufgeklatschten" Balkone.
Nicht schön!
Der Wandfries von Dietmar Gubsch ist dagegen unter Einbeziehung von
ihm selbst vorbildlich
saniert worden.
Ein herausragendes Gebäude der Dresdner Nachkriegsmoderne
konnte zwar durch den Umbau gerettet werden, aber die besonderen Qualitäten des Baus kommen nach der Sanierung nur noch bedingt zum Tragen.
Text: Thomas Kantschew 2007 / 2013
/ 2023
Literatur:
Stephanie Lehmann: Das Blaue Haus - Das zentrale Forschungsinstitut für Arbeitsschutz und Arbeitsökonomie in Dresden, TU Dresden 2004.
Textband und Datenbank Archivalien. Basierend auf der Katalogisierung von Aktenfunden betr. die Jahre 1954-1989, stellt die Arbeit den Entwurfs- und Bauprozess des zentralen Forschungsinstitut für Arbeitsschutz und Arbeitsökonomie in Dresden zwischen 1954 und 1964 unter den in dieser Zeit tiefgreifenden politischen, architektonischen und wirtschaftlichen Veränderungen dar.
Weitere Infos unter: www.ostmodern.org
Weitere Bilder vor der Sanierung: www.facebook.de

fast fertig sanierter Eingangsbereich (Juli 2013) pan>
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Wärmedämmung - nicht gut für die Denkmalpflege der Nachkriegsmoderne? Vergrößerung (Foto: TK Juli 2013)

Das Gebäude ist vor Abriss gerettet, aber kann man von einem guten Denkmalschutz sprechen? Vergrößerung

Vergröß

Vergröß.

Wandbild nach der Sanierung (Ausschnitt)
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