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Die
Ev.-Luth. Diakonissenanstalt in der Dresdner Neustadt wollte Mitte der
1980er Jahre die jahrzehntelang brachliegende Ruine des
klassizistischen Schwanenhauses wiederaufbauen und ein
Altenpflegezentrum für Feierabendschwestern und andere
pflegebedürftige alte Menschen errichten. Das großzügige Grundstück an
der Holzhofgasse Richtung Elbe, ab ca. 1790 zum "Coselschen Garten"
gehörend, bot auch Platz für einen gut gegliederten Neubau.
Schließlich waren Gelder der westlichen evangelischen Kirche der
Bundesrepublik ("Geriatrieprogramm") bereit gestellt worden, die für einen Neubau verwendet
werden durften. Aus diesem Grund entschloss man sich für eine
anspruchsvolle Architektur mit Schauseite nach Süden zur Elbe
hin. Der Wiederaufbau des eleganten langgestreckten Schwanenhauses
von 1826/27 musste jedoch aus Eigenmitteln finanziert werden, mit der
Folge von ungezählten freiwilligen, als sogenannte Feierabendarbeit vergütete
Arbeitsstunden verschiedenster Gewerke. Während die Ruine der
berühmten Semperschen Villa Rosa, nur ca. 80 Meter entfernt, 1955
abgetragen wurde, konnte die Ruine des durch Brandstiftung am 11. Mai
1945 zerstörten Schwanenhauses über die Jahrzehnte gerettet werden.
Das in den späten DDR-Jahren und der Wendezeit entstandene
Ensemble, hinter hoch gewachsenen Bäumen versteckt, geht etwas in der
öffentlichen Aufmerksamkeit unter. Zu Unrecht! Gerade der
2021/22 stattfindende Umbau des elbseitigen Bettenhauses und die
damit einher gehende Beseitigung aller Besonderheiten der markanten
Ostmoderne, evoziert eine
Rückschau auf diesen bemerkenswerten Wendebau.
Aufbruchmomente Dieser eigenwillige und charaktervolle Bau
zeigt(e) eine bestimmte Geisteshaltung von Aufbruchstimmung. Die
post-moderne Südseite will sich von der Monotonie einer
standardisierten Einheitsmoderne hin zu einer individuellen Gestaltung
lösen. Ein starkes Profil der belebten Fassade signalisiert Bewegung
und Aufbrechen von Erstarrungen. Wirklich sehr schade, dass die
gesamte Fassade 2022 abgebrochen wird und einer nüchternen Lochfassade
ohne Balkone und Terrassen weichen wird.

Foto 2021: T.Kantschew
Vergrößerung
Bettenhaus Dieses zur Elbe gelegene Bettenhaus besaß
auf jeder der drei Etagen 9 Zweibettzimmer und 4
Einbettzimmer (= insgesamt 66 Betten) sowie ein belichtetes Untergeschoss. Der
Neubau ist in seiner Kubatur versetzt angeordnet, um lange triste
Flure zu vermeiden und den Bau dadurch aufzulockern. In der Mitte
jeder Etage befindet sich jeweils der große Gemeinschafts- und
Speiseraum als Scharnier mit einer sehr großen Gemeinschaftsterrasse
für alle Bewohner. Es
ist dezidiert kein Plattenbau, sondern eine Konstruktion aus
Betonstützen, die mit Gasbetonsteinen ausgefacht wurde. Besonders
auffällig an der Fassade zur Südseite hin sind die dreieckig
herausragenden Fenster, die sich als Erker durch alle Geschosse
ziehen. Westliche Vorbilder aus den 1980er Jahren der Bundesrepublik,
aber auch eigene Einflüsse, wie die dreieckigen Balkone des Dresdner
Hochhaustyps (Apartmenthaus G 4) flossen in die Gestaltung mit ein.
Foto
Bestimmte architektonische Elemente wie die Erker wurden mit eleganten
schwarzen
Eternitplatten in Schieferassoziation verkleidet. Heller weißer Putz
wechselt mit ockerfarbenen Balkonbetonbrüstungen. Zur Nordseite hin
ist die Fassade mit Funktionsräumen sachlich gehalten. Im Untergeschoss war bis 1996 eine
Behinderten-werkstatt untergebracht.
Verbindungsbau
In diesem zwischen Alt-und Neubau funktional erforderlichen
Verbindungsbau befindet sich der zentrale Eingang mit vielseitig
nutzbaren Foyer, der große Festsaal mit Bühne & Cafeteria sowie Funktionsräume. Ein begrüntes Dach sorgte schon 1991 für ein
ökologisch besseres Mikroklima.
Altbau Schwanenhaus Das klassizistische
ursprünglich zweigeschossige Gebäude war 1826/27 von Woldemar Hermann
als Wohnhaus gebaut worden. Schon 1928 erwarb die Diakonissenanstalt
das Gebäude, 1932/33 wurde es aufgestockt und diente Diakonissen und
Schwesternschülerinnen als Wohnung. Das 3. Geschoss veränderte die
Proportionen der Kubatur ungünstig. Durch Brandstiftung am 11. Mai
1945 zerstört blieb die Ruine über Jahrzehnte auf dem Diako-Gelände
erhalten. Als sich die Möglichkeit eines Neubaus im Coselgarten ergab,
gehörte die Prüfung der Varianten Abriss oder Einbeziehung dazu. In
der Abwägung aller wirtschaftlichen Aspekte entschied man sich zur Einbeziehung erhaltbarer
Ressourcen. Der Architekt Günter Fischer war zudem in der Zeit Leiter
der Projektierung im VEB Denkmalpflege Dresden. 1982 begannen erste
Initiativen zum Wiederaufbau der äußeren Gestalt, der schließlich 1986
in den Beginn des Wiederaufbaus mündete. Nach Jahrzehnten als Ruine
konnte eine annähernde äußere Rekonstruktion erfolgen, wobei lediglich
das 3. OG als Halbgeschoss zurück gebaut wurde, was die funktional
benötigten Räume zur Verfügung stellte und die Proportionen nicht mehr
so stark beeinträchtigte - ein Kompromiss, begleitet von der Dresdner
Denkmalpflege unter seinem damaligen Leiter Gerhard Glaser. Heute
befinden sich Physiotherapie, Ergotherapie und 14 Zimmer für betreutes
Wohnen in den neuen modernen Räumen. Ein Aufzug und ein unterirdischer
Tunnel ins Krankenhaus erleichtern die Infrastruktur.
Gartengestaltung
Die Landschaftsarchitektur stammt
vom renommierten Büro Kretzschmar, welches so viele Gärten und
Platzgestaltungen in Dresden der 1970er Jahre bis in die Gegenwart geschaffen
hatte. Der elbseitige Garten ist mit abgeschlossenen Sitzecken, einer
geschwungenen Teichanlage mit Wasserfall und rollstuhlgerechten
Spazierwegen ein besonderes Gartendenkmal der Wendezeit um 1989/90 (auch
wenn die Anlage nicht explizit als eingetragenes Denkmal gelistet
ist). Die Landschaftsarchitektur baut in ihrer romantischen Lage
am Fluss auf Vorbilder des frühen 19.Jahrhunderts auf, konzentriert
sich dennoch ganz auf die Bewegungsbedürfnisse der Senioren.
Vergleich Gartengestaltung 1827 mit blau gekennzeichneten Schwanenhaus
Foto Dt. Fotothek.
Einweihung 1. Advent 1991 Entstanden war eines
der modernsten Altenzentren Sachsens und eines der beliebtesten
Einrichtungen für viele Jahre mit langer Warteliste - sehr grün und ruhig gelegen, an einem
historischen Ort und mit sehr spezieller Architektur und vielen
Extra-Angeboten. Nicht zuletzt das christlich geprägte Umfeld bot in
der Umbruchzeit der 1990er einen stabilen Anker.
Foto zur Einweihung des Altenzentrums im 01.12.1991 mit
Schlüsselübergabe des Architekten Günter Fischer an die Oberin der Diakonissenanstalt, Diakonisse Anneliese Dietrich.
Foto: Manfred Lauffer
Erweiterung + Umbau und Modernisierung 2020-22
Nach 30 Jahren Nutzung war eine technische Ertüchtigung nötig
geworden, die sich in einer größeren Modernisierung des Bettenhauses
niederschlug. Leider hat diese zur Folge, dass alle Terrassen und
Balkone, die zur markanten Fassade beigetragen haben, beseitigt
werden (Visualisierung).
Der Umbau der
"DIAKO
Seniorenhilfe GmbH" ergibt sich durch die neue Grundrissauflösung in
Einzelzimmer. Es wird ein zusätzliches Geschoss mit Hotellösung
aufgestockt, das unabhängig vom Altenheim agiert (betrieben von
der Evangelischen Behindertenhilfe Dresden und Umland gGmbH). Darüber hinaus wurden bereits zwei neue
Gebäudeflügel hinzugefügt, was die Bettenkapazität deutlich steigerte.
Nach Abschluss der Bauarbeiten wird die Diako Seniorenhilfe mit diesem
Ensemble insgesamt
96 Betten besitzen, davon 78 in Einzelzimmern.

Grundriss des gesamten Ensembles mit zwei Neubauten und dem
modernisierten Bettenhaus (ohne Balkone),
Erdgeschoss,
Vergrößerung
Architekt Günter Fischer (1926 - 2013)
- Ausstellungshallen am
Fucikplatz (heute Straßburger Platz) Konstruktion: Werner
Barthel 1969
- Erweiterungsbau am
Volkspolizeikreisamt am Neumarkt
1976-79
- Umbau des Hansahauses
(alter Flughafen Dresden Klotzsche) 1974-75
Text:
Thomas Kantschew (November 2021)
Links:
www.diako-dresden.de
https://www.kretzschmar-partner.de/
Von der Ost- zur
Postmoderne. Architektur und politischer Wandel in Ostmitteleuropa
Konferenz im Deutschen Historischen Institut Warschau (Polen) 2019,
www.dhi.waw.pl
Literatur
Manfred Lauffer (Red.): 150 Jahre Ev.-Luth. Diakonissenanstalt Dresden
e.V.: Festschrift zum Jubiläum 1844-1994. Dresden 1994
Kirsten
Angermann: Die ernste Postmoderne. Architektur und Städtebau im
letzten Jahrzehnt der DDR. Dissertation Bauhaus University Weimar
(seit 2013)
Kurztext PDF
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Modell des Projektes mit Wiederaufbau Schwanenhaus an der
Holzhofgasse, Bettenhaus zur Elbe hin und Verbindungsbau 1987,
Vergrößerung



Plan Gartengestaltung vom Büro Kretzschmar-Bartl-Blume, 1991.
Vergrößerung


Dreieckig herausragende Fenster zur Südseite, Foto 2021: T.Kantschew
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Neubau Bettenhaus Gemeinschaftsterrassen, Foto: 2021 T.Kantschew,
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Bettenhaus vor der Überformung, Foto: 2021: T.Kantschew,
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Bettenhaus Detaillösung Balkone, Foto 2021: T.Kantschew
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Balkonverkleidung mit Eternittafeln (in Schieferanmutung), Foto 2021:
T.Kantschew,
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Blick in den geschwungenen Teich im Garten, Foto 2021: T.Kantschew,
Vergrößerung


Zimmer kurz vor dem Umbau mit spitz zulaufenden Fenstern, Foto 2021:
T.Kantschew,
Vergrößerung,
andere Grundrisslösung im Eckzimmer:
Foto


Bettenhaus
Treppenhaus, Foto 2021: T.Kantschew,
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Schwanenhaus an der
Holzhofgasse, Foto 2021: T.Kantschew,
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Wiederaufgebautes Schwanenhaus Mittelteil, Foto 2021: T.Kantschew,
Vergrößerung


Schwanenhaus Ruine nach Abriss nicht mehr verwendbarer Bauteile, Foto 1986: Peter Forstmann,
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Schwanenhaus Ruine vor dem Baubeginn 1986, Peter Forstmann,
Vergrößerung


Schwanenhaus Entwurf zum Wiederaufbau als
Kindergarten (mit nur 2 Stockwerken), Architekt Helmut Trauzettel, ca.
1981,
Vergrößerung

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