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Architekt: |
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Curt
Reimer (andere Angabe: Karl Schümichen (Leipzig)
Wiederaufbau
1950/ 52
durch: Alexander Künzel, Theo
Wagenführ, Klossek,
Erler, Görner |
Adresse: |
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Wilsdruffer Straße 7 |
Bauzeit:
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1931 |
Abriss: |
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2009 |
Im
März 2009 wurde das letzte originale Vorkriegshaus rund um den
Altmarkt zugunsten einer Erweiterung der Altmarkt-Galerie Richtung
Wilsdruffer Straße abgerissen. Bild
des Abrisses. Damit wurde nicht nur eines der wichtigsten Zeugnisse
der Vorkriegsmoderne in Dresdens Innenstadt bewußt vernichtet,
sondern auch ein bemerkenswerter Anbau der ganz frühen Nachkriegsmoderne
von 1950.
Warenhaus Kaiser & Co
Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts wuchs bei Dresdner Stadtplanern
die Erkenntnis, daß die historischen Strukturen des alten Stadtkerns
den zunehmenden Verkehr in der expandierenden Groß- und Industriestadt
Dresden nicht mehr aufnehmen können. Eine Maßnahme zur
Bewältigung dieses Problems war die (begonnene) Verbreiterung
der Wilsdruffer Straße. Neben dem Neubau Löwenapotheke
von Hans Erlwein am Altmarkt 1912 errichtete der Bauherr Kommerzienrat
Carl Kaiser 1931 einen bemerkenswerten Neubau in der zurückgesetzten
Straßenflucht - das Textilhaus Kaiser & Co mit einer Anmietung im Erdgeschoss durch die amerikanische Kaufhauskette
Woolworth. Darüber in den Obergeschossen 1 bis 3 befanden sich seine
Kaiser-Textiletagen mit Stoffen, Wäsche, Gardinen und Teppichen
Foto.
Der auf Expansion ausgerichtete Unternehmer Carl Kaiser (1859 - 1945)
war Besitzer der Kaufhauskette Steigerwald & Kaiser, u.a. Filialen in
Chemnitz und Magdeburg.
Infos Vor 1931 stand auf dieser Fläche u.a. das historische
Hotel "Zum Goldenen Engel" von 1714.
Das Warenhaus entstand in der Ägide des Stadtbaurates Paul Wolf
in einer für Dresden ungewöhnlichen Offenheit für das
"Neue Bauen". Das Hineinimplementieren des konstruktiven
Gebäudes in die kleinteilige barocke Parzellenstruktur in zeitgenössischer
Formensprache bedeutete für Paul Wolf kein Bruch mit der Vergangenheit,
sondern ein Fortschreiben.
Werbezeichnung Büro- und Geschäftshaus Wilsdruffer Straße
7 (Abb.: Adressbuch Dresden 1932 Band II, S.780)
Klassische Moderne mitten in Dresden
Um Baufreiheit für das Grundstück zu erhalten ließ
der Bauherr Carl Kaiser drei Barockhäuser auf der Wilsdruffer
Straße abreißen. An ihrer Stelle errichtete vermutlich der
Dresdner Architekt Curt
Reimer einen klar gegliederten Stahlbetonbau mit langgezogenen
Fensterbändern, die viel Licht ins Innere des Gebäudes fluten
ließen. Das Gebäude mit flexiblem Grundriss passte sich
der (damaligen) Dresdner Traufhöhe an, besaß fünf Etagen,
ein zurückgesetztes Staffelgeschoss und ein Flachdach. Die Vertikale
des großzügig verglasten Treppenhauses kontrastierte spannungsreich
mit den horizontal angeordneten Fensterbändern. Auch die Erdgeschosszone
besaß eine kraftvolle Großstadt-Dynamik: zu den
ursprünglich fünf separaten Eingängen führten abgewölbte
Glasrundungen der Schaufenster - ein typisches Gestaltungsmerkmal
der 1920er Jahre-Kaufhausarchitektur. Der Moderne verpflichtet gab
es im Haus auch einen Fahrstuhl.
Das Warenhaus Kaiser und Co zählt zur Epoche der Neuen Sachlichkeit in Dresden, die in Dresden weitaus mehr Gebäude hervor gebracht hat, als man meint.
Das Bemerkenswerte an diesem Haus: es stellt ein gutes Beispiel für
den Erneuerungsprozess Dresdens dar, der, ohne die Zerstörungen
am 13. Februar 1945, in maßvoller Kontinuität eine Verjüngung
der Altstadt mit sich gebracht hätte. Eine Reihe Kaufhäuser
wurden in der Dresdner City in den 1930er Jahren im Stil des Neuen Bauens
um- oder neugebaut, wie z.B. am Altmarkt, an der Prager Straße
oder anderswo. Gleich gegenüber vom Warenhaus Kaiser stand auf der Wilsdruffer Straße das Kaufhaus Alsberg, errichtet 1922-23, erweitert 1929-30 von Max Hans Kühne.
Wiederaufbau mit Veränderungen
Der
stabilen Bauweise ist es wohl zu danken, dass das Warenhaus mit seiner soliden Stahlbetonbauweise die Brandnächte
halbwegs überstanden hatte und deshalb als eines der ersten öffentlichen Gebäude
im Nachkriegsaufbau schon 1951 als HO-Warenhaus (genannt "HOWA" für
Handels-Organisation Warenhaus) eröffnete, noch bevor das markante
Eckgebäude Altmarkt/Wilsdruffer Straße errichtet worden war. Diese
beiden Gebäude wurden dann als eine große Kaufhauseinheit zusammengefasst
(zunächst weiter als "HOWA", später CENTRUM-Warenhaus).
Gegenüber dem Originalbau gab es geringfügige Veränderungen, wie das Weglassen des Gesimses über der 3. Etage des Treppenhauses, eine andere, plumpere Fenstersprossung, die den Eindruck der langgezogenen Fensterbänder schmälerte und vor allem die gröbere, rechtwinklige Erdgeschossgestaltung, die der Eleganz von Neuer Sachlichkeit völlig entbehrte.
Wiederaufbau
Kaufhaus Wilsdruffer Str. 7 - Foto 11. Sept. 1950 - mit neuer, z.T.
verlängerter Südseite und neuem Treppenhaus zur Ostseite, Quelle:
Deutsche Fotothek
Umbau + neues Treppenhaus 1952
Städtebaulich interessant war der 1952 neu errichtete Querriegel
mit einem großen gläsernen Treppenhaus, der eine Wiederherstellung
der kleinen Gasse, die bis zur ehemaligen Zahnsgasse führte,
vorgesehen hätte.
1953 bestanden Pläne, das stehen gebliebene moderne Warenhaus mit dem neuen Eckgebäude zum Altmarkt zu einer gestalterischen Einheit
mit Satteldach und historisierenden Anklängen zusammenzufassen, diese Pläne wurden allerdings nicht umgesetzt, obwohl der Formalismusvorwurf im Raum war.
Nähere Infos zu diesen Planungen:
Andras Butter, Neues Leben, Neues Bauen. Die Moderne in der Architektur der SBZ / DDR 1945 bis 1951, 2006
Kaufhaus in der Wilsdruffer Straße, Plan zur Überformung v. Alexander Künzer 1954.
Quelle: SLUB
Das alte ursprüngliche Treppenhaus wurde erst 1957 entfernt und mit dem
neu entstandenen Eckkaufhaus Altmarkt als zusätzliche Verkaufsfläche
ausgestaltet.
Die Architektur des neuen Treppenhauses in klaren modernen Formen
besorgte 1952 der gleiche Architekt, wie der separat entworfene Eckbau
zum Altmarkt: Alexander Künzer. Ihm zur Seite standen Theo Wagenführ,
Rudolf Erler, Wolfgang Klossek und Görner (siehe Beitrag in Zeitschrift "Deutsche
Architektur" 1957)
Dem originären Charakter des Warenhauses im Stil des Bauhauses
war es abträglich, als Ende der 60er Jahre eine langgestreckte
Verwaltungs- und Bürozeile direkt an die Ostfassade des Kaufhauses
angebaut wurde: hier in einer Aufnahme während der Abrissarbeiten
im Oktober 2008, welches das neue Treppenhaus von 1952 wieder sichtbar
werden lässt:
(Foto: S. Baumgärtel)
2009:
Abriss
SZ
vom 24.11.06
"Altes Centrum wird saniert
Für neun Millionen Euro hat die Patrizia Immobilien AG zwei Gebäudeteile
am Altmarkt 25 und der Wilsdruffer Straße gekauft. Hier war
einst das Centrum-Warenhaus untergebracht. Ab Mitte 2007 soll der
Anbau abgerissen und an seiner Stelle ein Neubau errichtet werden.
Darunter entsteht eine Tiefgarage mit 95 Plätzen. Das achtstöckige
Eckgebäude wird saniert. Im Erdgeschoss sowie in den ersten beiden
Obergeschossen entstehen Läden, darüber Wohnungen. Patrizia
will bis zu 33 Millionen Euro investieren." Foto: SZ / Gröning
(Farbmarkierung Kaufhaus von 1931/ 1952)
Das Haus stand unter Denkmalschutz - dennoch lag eine Zustimmung
der Unteren Denkmalschutzbehörde zum Abbruch vor:
Laut Denkmalpflegeamt Dresden stand das originale Kaufhaus aus dem
Jahr 1931- also die Zeit der klassischen Bauhausmoderne unter Denkmalschutz,
genauso wie die Altmarktgebäude aus den 1950er Jahren auch.
"Aufgrund statischer Probleme" müsse der Denkmalschutz
für das Gebäude aufgegeben werden. Ein Gutachten des Ingenieurbüros
Jenewein vom 23.10.2002 über den baulichen Zustand und die weitere
Nutzbarkeit des Altbaus kam zum Schluss, dass "eine Ertüchtigung
der vorhandenen Bausubstanz im Hinblick auf die Tragfähigkeit
der Deckenkonstruktion und Erfordernisse des Schall- und Brandschutzes
unzumutbar seien." (Zitat: Lutz Vogel auf eine Anfrage der Grünen
bezüglich des geplanten Abrisses vom 19.06.07) Die Belastbarkeit
der Betondecken durch den Brand 1945 seien heute mit den vorhandenen
DIN-vorschriften für "Verkehrsräume" (300 kg/m2
anstatt 500 kg/m2) nicht mehr gegeben. ... "gravierende Schädigung
der Grundsubstanz (Beton- und Bewehrungsstahl)" ... "alternative
Nutzungen aufgrund der Vorschriften zum Schall- und Brandschutz ausgeschlossen."
Die dargelegten
Gründe zu einer Zustimmung zum Abriss mögen nachvollziehbar
sein. Dennoch beschleicht einen das Gefühl eines fragwürdigen
Umgangs mit Vor- und Nachkriegsmoderne-Denkmalen in Dresden! Wenn
man gewollt hätte, wäre das Haus denkmalpflegegerecht zu
sanieren gewesen und hätte seine charakteristischen gewölbten
Glaseingänge zurück erhalten können. Aber die Bedeutung
dieses Vorkriegs-Zeugen wurde nicht erkannt.
Seltsamerweise - nur zum Vergleich - ist das zeitähnlich erbaute Kaufhaus Schocken in Chemnitz
2011 durchaus sanier- und umnutzbar, obwohl es im Krieg ringsherum
ähnliche starke Brandschäden gegeben hatte.
Das alte Warenhaus von 1931 war weit und breit der einzige Bauzeuge des ehemaligen Geschäftsquartiers im Dresdner Zentrum.
Es hat den Angriff und die Abrisszeiten danach überstanden, wenn auch
mit baulichen Veränderungen, die ihrerseits wertvolle Hinweise auf
die Nachkriegsentwicklung in Dresden geben konnten.
Ein bedeutendes Stück Geschichte wird weggerissen.
Lesermeinung in der SZ von Rudi Warnatsch (Dresdner Heimartforscher
und Chronist) am 03.05.07
Artikel
(jpg)
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Warenhaus Kaiser &
Co Wilsdruffer Straße Postkarte 1936. Gut zu erkennen: das neue Haus
wurde mehrere Meter von der Straße zurückgesetzt.
Vergrößerung
Wiederaufgebautes
Kaufhaus 1951 - noch mit Treppenhaus. (Foto: Fotothek/ SLUB)
Blick auf die Ecke
Altmarkt-Wilsdruffer Straße 1954 - noch ohne Intecta - Kaufhaus
Warenhaus im Licht,
neue Straßenbeleuchtung 1960
Neues Treppenhaus
als Querriegel und Eröffnung einer neuen Nord-Südquerung -gebaut um
1952
HO-Kaufhaus 1955
mit gläsernem Treppenhaus
Zustand 2004 (Foto:
TK)
Stadtplan Dresden
1862 mit dem Gassennetzgeflecht westlich des Altmarktes. Hier ist die
kleine Nord-Südverbindung als "Quergasse" angegeben.
Vorgängerbau: Barockgebäude Hotel "Zum Goldenen Engel", Wilsdruffer
Straße 7, gebaut um 1715, Aufnahme zw. 1912 und 1930 - Quelle: Deutsche
Fotothek
Der Dresdner Maler Curt Winkler zeichnete diese
Altbauten kurz vor ihrem Abbruch 1930.
Zeichnung
Umnutzung historischer Kaufhausarchitektur: in Chemnitz entsteht 2011 das Sächsische Museum für Archäologie und Geschichte |
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Abbildung: Adressbuch Dresden 1932
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Vergrößerung
Die rasante Großstadtarchitektur erinnerte stark an die dynamische Moderne von Erich
Mendelsohn (z.B. an sein 1930 errichtetes Kaufhaus Schocken in
Chemnitz). Auch bei diesem kleineren Kaufhausgebäude in der Dresdner
City gab es eine schwungvoll elegante Rundung
- zur Ecke Einmündung Palmstraße. Auch hier fand sich dieses großzügige urbane Erscheinungsbild mit langgezogenen Fensterbändern und viel Glas in den
Schaufenstern. Besonderer Reklame-Höhepunkt des Gebäudes war ein über
die Traufhöhe gezogener Lichtturm mit dem Schriftzeichen der Firma.
Das funktionalistische "Kaufhaus für jedermann" (Werbeslogan) blieb nur
wenige Jahre in den Händen des Kaufmanns Bach bzw. des Inhabers Kornblum
(3). Im Zuge der
"Arisierungen" ging es 1937 in die Hände der Firma Winkelmann über -
siehe Foto rechte Spalte. Am 14. Februar 1945 wurde dieses
Gebäude zerstört, überstand jedoch in seiner baulichen Grundstruktur, so dass es wiederaufbaufähig gewesen wäre. Im
antiliberalen Geist des sozialistischen Furors Anfang der 1950er Jahre
und einer Tabula rasa- Mentalität
wurde auch die Ruine abgerissen. Architekt Fritz Brauer
(1889-1939) hat viel für die Jüdische Gemeinde
Dresdens gebaut, u.a. den
Synagogenanbau 1935
(4) (mit dem
Henriette-Schie-Saal), die architektonische
Gestaltung des jüdischen Friedhofs, ein Altersheim und ein Jugendheim
für die Gemeinde uvm. (6) Seine Grabstelle auf dem Jüd. Friedhof in
Dresden:
Foto 2021
Julius Kornblum wurde 1941 ins KZ
Auschwitz deportiert und "verstarb" dort am 09.Februar 1942. (6)
1) Broschüre "Kaufhaus für jedermann" Ludwig Bach & Co. Dresden 1930
2)
Jüdisches Jahrbuch für Sachsen 1931/32, S.62 3) Adressbuch 1936
Handelsregister: "Ludwig Bach & Co. Wettiner Str. 3-5, Inh. Julius
Kornblum, Alfred Michaelis, Kurt Kornblum" 4) Bruno Gimpel,
Zeichnung Synagoge Dresden, 1938 (abgedruckt in: Jüdisches Gemeindeblatt
Dresden 14, 12 (15.06.1938), S. 1 5) Martha Heinrich: Acht Dresden
1944/45, Dresden 2000. Foto: Seite 14 6) Buch der
Erinnerung. Juden in Dresden: Deportiert, ermordet, verschollen. Von
Arbeitskreis Gedenkbuch d. Gesellschaft f. Christlich-Jüdische
Zusammenarbeit Dresden e.V. (Herausgeber), W.E.B. Universitätsverlag,
2006
Entwurf Kaufhaus Dresden. Architekt: Gustav Lüdecke
ca. 1928 - nicht realisiert
Quelle:
www.digipeer.de (IRS Leibniz-Institut für Raumbezogene
Sozialforschung)
Dieser Entwurf für ein nicht minder
spektakuläres Kaufhaus stammte vom Hellerauer Architekten Gustav
Lüdecke. Neben dem exponiert an der Ecke aufgestellten 7-stöckigen
ovalen Minihochhaus fallen ebenfalls die langen horizontalen Fenster,
bzw. Fensterbänder auf. Der Standort war für den Beginn der
Kesselsdorfer / Löbtauer/ Lübecker Straße vorgesehen hinter dem Fluss
Weißeritz (jetzt "Dreikaiserhof")
Lageplan -
Der Bau wurde nicht realisiert.
Quelle:
www.digipeer.de
Aufriss und Grundrisse (IRS Erkner)
Text: Thomas Kantschew 2004 / 2009/ 2021 |
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Werbeannonce 1931
für das Dresdner Kaufhaus Bach & Co in der Nähe vom Postplatz,
Vergrößerung
Foto: Postplatz Richtung Osten in die Wettiner
Straße, ca. 1936. Blau markiert: Kaufhaus Ludwig Bach & Co, nach der
"Arisierung" 1937 (Franz) Winkelmann. Den Schriftzug Winkelmann kann man
gut in der
Vergrößerung erkennen. Foto: Acht Dresden (5) |