Zwei innovative Dachkonstruktionen für moderne Dresdner Museen
Neue überdachte Innenhöfe: Albertinum und Kleiner Schlosshof

 
Albertinum - eine Arche für die Kunst:
Architekten: Staab Architekten (Berlin)
www.staab-architekten.com
 

Brigitte Fischer (Ausstellungsarchitektur) www.ausstellungsarchitekt.de/
Bauherr: SKD (Staatliche Kunstsammlungen Dresden),
Sächsisches Immobilien- und Baumanagement (SIB)
Bauzeit: 2004 - 2010
Wettbewerb 2004 - Details der Ausschreibung: www.competitionline.de
Adresse: Georg-Treu-Platz 2

Zwei spektakuläre Innenhof-Überdachungen haben 2009/ 10 in Dresden viel Aufsehen erregt. Beide stehen für ein zukunfts-orientiertes, innovatives und zweckorientiertes modernes Bauen in Dresden. Zum einen besticht das neue Albertinum durch seinen lichtdurchfluteten Innenhof. Der überdachte kleine Schlosshof dagegen schafft eine überzeugende Verbindung von großer Vergangenheit und funktionaler Schönheit der Gegenwart.

Albertinum:

Die Berliner Architekten beschreiben ihr Projekt so:
"Der Depotneubau ist als eine Art raumhaltiges Dach konzipiert, als eine aufgeständerte Arche Noah, die für immer aus dem Bereich der Fluten herausgehoben wird. Eingehängt mit zwei Lichtfugen im Zentrum des Innenhofes und aufgelagert auf einem neuen Aufzugsschacht und zwei Stützen hinter der bestehenden Hoffassade, lässt sie den zentralen Raum unberührt und gut belichtet. Die Untersicht dieses Baukörpers wird als „beleuchtete Fläche“ ausgeführt, so dass ein voll belichteter Innenhof entsteht, der über die seitlichen Lichtfugen die Tageslichtschwankungen und den Wechsel von Sonne und Wolken nach innen überträgt. Das Volumen des Daches und damit des neuen Baukörpers wird dadurch erst auf den zweiten Blick spürbar.
Zusätzlich zu dem Eingang an der Brühlschen Terrasse wird ein neuer Besuchereingang am Georg-Treu-Platz geschaffen. Beide Eingänge erhalten direkte Zugänge zu dem nun überdachten Innenhof, wodurch dessen Rolle als zentraler Raum des Museums unterstrichen wird. Hier sind alle öffentlichen Infrastruktureinrichtungen untergebracht (Kasse, Garderoben, Buchladen, Café). Ein Besucheraufzug verbindet das Erdgeschoss mit den beiden oberen Geschossen zentral und barrierefrei."

Staab Architekten erhielten für den Umbau des Albertinums eine Auszeichnung beim Deutschen Architekturpreis 2011.

Zurück in der ersten Reihe
Von Dieter Bartetzko, in FAZ vom 20.06.2010:
Die Sanierung und Erweiterung wurde 2002 zum Muss, als die überfüllten Depots nur um Haaresbreite den Fluten der Hoch-wasserkatastrophe entgingen. Der Zwang, die Bestände fortan wassersicher zu lagern, führte zum technischen Wunderwerk eines „schwebenden Depots“, einer stählernen, von zwei unsichtbaren Pfeilern gehaltenen Fachwerkkonstruktion siebzehn Meter über dem Innenhof, die auf zwei Stockwerken 3450 Quadratmeter Fläche für Lagerhallen und Werkstätten bietet.
Eine „Arche für die Kunst“ nennen die Beteiligten diese Meisterleistung des Architekten Volker Staab. Solche plakativen Poetisierungen hat er nicht nötig. Seit Staabs Neuem Museum in Nürnberg (1999) kennt man ihn als jemanden, der zweckgebundene Sachlichkeit souverän mit meisterlichen Proportionen und bestechender Eleganz verbindet. Für Dresden heißt das, dass Staab keinen billigen Triumph der Technik inszeniert hat, sondern, sympathisch diskret, für berückend noble Raumatmosphären sorgte.


Die Arche selbst hat zwei Stockwerke: Im ersten ist der Gemäldespeicher eingerichtet, im zweiten die Restaurierungs-werkstatt.

Ministerpräsident Tillich in seinem Grußwort zur Eröffnung des Neuen Albertinums: "Die Dresdner Moderne hat genauso viel Beachtung verdient wie unsere Alten Meister."


Weitere Informationen zum Umbau:
www.skd.museum/de

http://wn.com/Architekturwettbewerb (Videos)

www.david-brandt.de (Professionelle Architekturfotos)


Zum Wettbewerb:

BauNetz vom 17.12.2004
Braunfels klagt erfolgreich gegen Vergabeverfahren in Dresden

www.braunfels-architekten.de
(Braunfels Entwurf)

www.koeckeritz-architektur.de/wettbewerb_alberfinium.html (Köckeritz Entwurf)
- Der Innenhof wird zugebaut.




Diese Broschüre vom Mai 2007 mit vielen Details zum Umbau, geplanten Grundrissen und Visualisierungen (z.B. neues Dach) kann kostenlos hier bestellt werden. Herausgeber sind die Staatl. Kunstsammlungen Dresden und SIB

Der Staab-Entwurf für die schwebende Arche wurde vorgestellt auf der: 10th International Architecture Exhibition Venice Biennale 2006 - German Pavillon.

www.convertiblecity.de/projekte_projekt18.html

Auszug: Da die gesamte Stützkonstruktion hinter der existierenden Innenhoffassade untergebracht ist, wirkt die Struktur von unten betrachtet wie eine Kunstlichtdecke über einem voll ausgeleuchteten Innenhof. Ferner erhält die Ausstellungshalle Tageslicht über seitliche Fugen, die das Depotgebäude zur Innenhoffassade als Oberlichtband belässt. Der natürliche Wechsel von Sonnenschein und Bewölkung werden in diesen Lichtfugen reflektiert, so dass der neue Baukörper zu schweben scheint. Das tatsächliche Volumen des Dachs und die eigentliche Dimension des neuen Baukörpers werden erst bei näherer Betrachtung offensichtlich.


neuer überdachter Innenhof - Foto: SKD 2010neues Dach vom Albertinum aus der Vogelperspektive 2010Neon-Kunst: "Gegenwart" im Hof des Neuen AlbertinumsBlick in den neu gestalteten Innenhof vom AlbertinumTreppe im neuen Innenhof vom Albertinum
zum Vergleich: Zustand vor dem Umbau - offener Innenhof 2003, Foto: TK, Vergrößerung


Neues Albertinum: Schnitt-Perspektive / Visualisierung: Architekturbüro Volker Staab
Schnitt-Perspektive / Visualisierung: Architekturbüro Volker Staab

Neuer Innenhof mit "schwebendem" Depot, Visualisierung: Architekturbüro Volker Staab (Berlin)
Neuer Innenhof mit "schwebendem" Depot, Visualisierung: Architekturbüro Volker Staab (Berlin)

Albertinum Hofsituation 2003 vor dem Umbau
Albertinum Hofsituation 2003 vor dem Umbau (Foto: TK)

Albertinum großartiger neuer Innenraum - 2010 nach dem Umbau
Albertinum großartiger neuer Innenraum - 2010 nach dem Umbau (Foto: TK)
Gegenüber dem Entwurf ist die Umsetzung dann doch nicht in einem ockerfarbenen Farbton ausgeführt
worden, sondern in einem gedeckten Weiß.


 

Kleiner Schlosshof - das helle Licht der Aufklärung
Architekt: Peter Kulka, Philip Stamborski
(Köln / Dresden)
www.peterkulka.de
Bauherr: Freistaat Sachsen + (SIB)
Bauzeit: 2004 - 2009
Adresse: Taschenberg 2

Architekt Kulka beschreibt seine neue Kuppel so:
Der Kleine Schlosshof wird das zentrale Foyer der vier Museen werden. Hierfür erhält der Hof eine Überdachung aus transparenten Folienkissen, die von einer zweifach gewölbten Netzgitterkonstruktion aus Stahl getragen werden. Mit dieser leichten Konstruktion ist eine Überwölbung auf einer Höhe oberhalb der Schaugiebel möglich. Die Wirkung des mit Architekturelementen der Renaissance reich ausgestalteten Hofes und der Schlossfassaden wird nicht angetastet.

Gegenwartsarchitektur

Dresden hat eine neue Kuppel und was für eine !
Mitten im Allerheiligsten der Dresdner Altstadt - im historischen Residenzschloss - setzte Peter Kulka dem Kleinen Schlosshof eine futuristische Lichtkuppel auf das wiederhergestellte Ziegeldach der 1990er Jahre. Mit dieser selbstbewussten zeitgenössischen Zutat soll demonstriert werden, dass jede Zeit am Dresdner Schloss ihre Spuren hinterlassen hat, so auch die Jetzt-Zeit. Aber nicht nur ästhetische Gründe spielen eine Rolle. In erster Linie führten funktionale Überlegungen zu dieser sehr praktischen Lösung: die Überdachung des Kleinen Schlosshofes soll als Anlauf- und Sammelpunkt großer Besuchermengen im Schloss dienen, auch im Winter. So ist mit dem formschönen überwölbenden Dach zugleich ein neuer Festraum entstanden, der ein Aushängeschild für Dresdens prachtvolle Vergangenheit - genauso wie für seine innovative technologische Zukunftsfähigkeit ist. Für einige traditionell gesinnte Dresdner mag dieser raumschiffartige Blob, diese durchsichtige moderne Lichtkuppel mitten im Schloss ein Affront bedeuten. Die meisten Gäste und Einheimische empfinden das neue Foliendach jedoch als Bereicherung der Stadtsilhouette und als gestalterischer wie konstruktiver Genuss. Etwas Helles, Aufgeklärtes und Befreiendes tut sich in der tendenziell engen Altstadt auf, viel Licht, viel Offenheit für die reichhaltigen Schätze der Staatlichen Kunstsammlungen.

Komplizierte Konstruktion: 84 Tonnen Dach in der Luft

Die Eindeckung der Kuppel erfolgte mit 265 pneumatischen Kissen, die die ca. 615 m² Grundfläche des Kleinen Schlosshofes überdecken.
Die Struktur der Stabwerkskuppel geht an den Rändern in einen umlaufenden Randfachwerkträger über, der die Auflagekräfte an geeigneten Stellen in die historische Dachkonstruktion einleitet
Für die Überdachung musste eine Konstruktion gefunden werden, welche die verschiedenen Fassaden des Renaissanceschlosshofes in ihrer architektonischen Wirkung mit den unterschiedlichen Gesimshöhen und Ziergiebeln in Gänze erlebbar werden lässt. Nach einer Diskussion um eine geeignete Konstruktion entschied man sich für die Lösung des Architekturbüros um Peter Kulka, der vorschlug, den Schlosshof mit einer frei tragenden Stabwerkskuppel zu überspannen. Die 84 Tonnen schwere Dachkuppel aus Stahl wird aus einer zweifach gekrümmten Stabgitterschale mit biegesteifen Knoten gebildet. Hierdurch wurde es möglich, den Hof frei zu überdachen. Die Geometrie wurde in einem dreidimensionalen Computermodell entwickelt und als Grundlage für eine millimetergenaue Montage CAD unterstützt geplant. Die Eindeckung der Kuppel erfolgte mit pneumatischen Kissen. Diese bestehen aus einem transparenten, sehr leichten und witterungsbeständigen Kunststoff, der unter Extrembedingungen getestet wurde. Die von Monteuren mit Bergsteigererfahrung montierten Kissen werden mit 800 Pascal ständig unter Druck gehalten. Die Luftversorgung erfolgt direkt durch den Hohlraum der tragenden Stahlprofile, einem Quadratrohr mit einem Querschnitt von 18 x 18 cm. Dadurch konnte ein zusätzliches Leitungssystem zur Luftversorgung entfallen. Um Korrosionsschutz und Tauwasserbildung in den Kissen zu reduzieren muss die einströmende Luft vorgetrocknet werden. Die Struktur der Rauten entspricht der statischen Konstruktion des Dachtragwerkes und stellt ein wiederkehrendes Motiv aus der Renaissancearchitektur dar.
(Quelle: www.glas-online.de)


Pneumatische Kissenmembran Kulka-Dach beim Dresdener Schloss fertig, BauNetz vom 16.03.2009


Das Konzept, den kleinen Schlosshof auf der Firsthöhe ansetzend zu überdachen und ihn als Besucherfoyer nutzbar zu machen, ohne die historische Architektur zu verdecken, stammt von dem Architekt Prof. Peter Kulka. Ein transparentes Membrandach schließt den über Jahrhunderte nach oben geöffneten Schlosshof und ermöglicht es dennoch, die verschiedenen Fassaden des Renaissanceschlosshofes - mit ihren unterschiedlichen Gesimshöhen und Ziergiebeln - in ihrer architektonischen Wirkung weiterhin in Gänze zu erleben. Die überdachte Grundfläche des kleinen Schlosshofes beträgt rund 600 Quadratmeter. Die Kuppel selbst hat eine Fläche von etwa 1.400 Quadratmetern und die dafür notwendige Stahlkonstruktion wiegt 84 Tonnen. Die Konstruktion besteht aus einer selbsttragenden Kuppelschale mit einem Rautentragwerk. Die einzelnen Rauten der Kuppel sind mit transparenten Folienkissen bespannt, die unter Druck gehalten werden. Die eigentliche Wölbung der Kuppel hat eine Höhe von rund neun Metern. Die Besucher ahnen angesichts der Leichtigkeit des transparenten Daches kaum die gewaltigen Aufgaben, die die Architekten, Statiker, Techniker und Bauleute zu bewältigen hatten. (Quelle: www.skd.museum/de)

Peter Kulka zählt mit seiner Überdachung des Kleinen Schlosshofes in Dresden zu den nominierten Projekten 2010 für den "DAM PREIS FÜR ARCHITEKTUR IN DEUTSCHLAND 2010 - Die 23 besten Bauwerke in\aus Deutschland"
DAM = Deutsches Architektur Museum (in Frankfurt Main)



 

Dresden Residenz-Schloss: Überdachung Kleiner SchlosshofGewölbte Dachkonstruktion Dresden SchlossFertig gestellter überdachter Innenhof im März 2009Probestück der Stahlkonstruktion + Kunststoffkissen - Februar 2007Neorenaissance und Moderne: Dresdner Schloss


Blick von der Frauenkirche auf das Schloss und seine neue Kuppel
Blick von der Frauenkirche auf das Schloss und seine neue Kuppel (Foto: TK März 2003)

 

Komplizierte Dachkonstruktion mit ganz unterschiedlich großen Feldern / Visualisierung: Kulka Architektur
Komplizierte Dachkonstruktion mit ganz unterschiedlich großen Feldern / Visualisierung: Kulka Architektur

 



Wolkendach über der Kirchenruine St. Pauli
Dresdens Visionen - ungebaute Entwürfe


Architekt: Dähne Architekten
www.daehne-architekten.de
Bauzeit: Entwurf 2009
Adresse: Königsbrücker Platz (Äußere Neustadt)
Bauherr STESAD GmbH
Nutzung www.theaterruine.de


Dresdner Moderne

Eines der innovativsten Glasdachlösungen Dresdens im 21. Jahrhundert ist der Entwurf einer Überdachung der St. Pauli-Kirchenruine in der Äußeren Neustadt. Dähne Architekten planten ein futuristisches Wolkendach, welches sich unregelmäßig über die stehen gebliebenen
Außenwände der Kirche gespannt hätte. Leider kam dieser formschöne und elegante Entwurf nicht zustande, da die STESAD als Bauherr die hohen Baukosten nicht übernehmen mochte. Stattdessen wurde nun ein Flachdach gebaut (Fotos). Für Dresdens Architekturgeschichte aber stellt dieser nicht realisierte Entwurf ein herausragendes Beispiel des großen Ideenreichtums und die Dynamik der Dresdner Moderne dar. Diese beinhaltet Themen wie Expressivität, Schwingung und Beweglichkeit.

Dähne Architekten beschreiben auf ihrer Webseite die konstruktiven Details so:
"Die vorgeschlagene Dachlösung zeichnet sich durch die filigrane Ausführung der tragenden Konstruktion aus. Ein Gitterrost aus 20 cm hohen und 2 cm dicken Flachstählen wölbt sich spielerisch über das ehemalige Kirchenschiff. Auf Punkthalter liegende Glasscheiben folgen den Bewegungen der Stähle. Der Innenraum bleibt von Stützen frei. Das Dach fließt über die Längswände, scheinbar ohne sie zu berühren."




Grafik: Dähne Architekten ©

  Wolken-Dach: geplante Überdachung der St. Pauli Kirchenruine
Vergrößerung - Visualisierung: Dähne Architekten ©


big - Grafik: Dähne Architekten ©

Stützenfreie Überdachung der Kirchenruine in Dresden Neustadt: St. Pauli
big - Grafik: Dähne Architekten ©



Detail: Überdachung der Kirchenruine St. Pauli in Dresden Neustadt
Computergrafik (hier Ausschnitt): Dähne Architekten ©



und noch eine Empfehlung:

Sächsisches Staatsarchiv

Sanierung Altbau mit einer Überdachung des Innenhofes + Neubau

von Schweger & Partner Architekten, Hamburg, Infos (Bauherr: SIB Dresden, Bauzeit: 2006-2011)

www.baunetz.de


neue Stabwerkskuppel über den Innenhof vom Staatsarchiv, Quelle: http://ib-dressel.de