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Architekt: Gunther Henn
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www.henn.com
Bauzeit: _2000- 02
Adresse:.
Straßburger Platz
www.glaesernemanufaktur.de
Neu: Gläserne Manufaktur bleibt erhalten VW beendet
Phaeton-Produktion,
ntv vom 17.12.2015
Das repräsentative
Prestigeobjekt von Freistaat Sachsen und dem Wolfsburger VW-Konzern,
die Endfertigung der Luxuskaroserie "Phaeton" gerade in
den barocken Großen Garten zu verlegen, fand nicht zwingend
bei allen Dresdnern ungeteilte Zustimmung. Doch am Ende ist durchaus
etwas Sehenswertes für Dresden herausgekommen. Ein zukunftsstrahlendes
Vorzeigewerk - glatt, sauber, gläsern, durchsichtig. Denn das
war die Marketingstrategie: gerade ein futuristisches Ambiente mit dem Mythos der berühmten
Barockstadt zu verbinden.
Eine perfekte Show
Auf dem quadratischen Grundstück rückt das Werk von Leenéstraße
und Stübelallee durch eine zurückhaltend-kühle Gartengestaltung
von der Straße ab. Die eigentliche transparente Schaumontage
liegt in einem harten kubischen neunstöckigen Riegel zur Stübelallee
hin (22 m x 145 m), welcher sich in völliger Verglasung und profiloser
Flächigkeit präsentiert. (Den Fertigungsprozess "Manufaktur"
zu nennen, also etwas Handgefertigtes, ist aufgrund der durchaus einsehbaren
Automatisierung ein geschickter Werbetrick.) Man kann (wenige) Arbeiter
beim arbeiten wie in einer Vitrine zuschauen. Etwas Voyeristisches
hat diese Zurschau-stellung. Die demonstrativ gläserne Durchsichtigkeit
soll jedoch im Betrachter eher den Erlebnischarakter in Liveüber-tragung
veranschaulichen.
Hinten, im
rückwärtigen Teil des Werkes befinden
sich Anlieferungs- und Verteilungszone
der einzelnen Autoteile. Sie werden erst per Bahn und dann mit hauseigenen
Straßenbahnen von mehreren Standorten Deutschlands extra hierher
transportiert.
Die eigentliche Show, das kunst- und lustvolle Inszenieren des verführerischen
Kaufs wird dagegen in einem eigenen Gebäudekomplex zur Leenéstraße
zelebriert. Ein maßvoller, nicht zu hoher Rundturm, wiederum
ganz aus Glas, stapelt die Edelkarossen regalweise - ein optischer
Blickfang als Hintergrund. Vorn - hinter abgerundeten fein metallen
schimmernden Baukörpern, eines auf schlanken Säulen balancierend,
von einem eleganten, überkragenden Dach überragt, empfängt
den potentiellen Käufer ein
kunstvoller Innenraum. Vielgestaltig, in mehrere Ebenen aufgeteilt,
lässt sich aus dieser Lobby ein höchst multifunktionaler
Raum formen, der bis hin zu Opernaufführungen und Musikwett-bewerben
genutzt werden kann.
Die am Eingang befindlichen geschwungenen Zwischenetagen (u.a. als
Restaurant genutzt) könnte man durchaus mit der vielbeschworenen,
festlichen Dresdner Heiterkeit in Verbindung bringen. Mehrere teilweise
unterirdische Showräume lassen keine Raffinesse der Produktwerbung
aus. Wirklich ein Attraktion zur Huldigung des Fetisch Automobil!
"Im überschnellen Gefährt durch die Straßen
jagen ..."
(Peter Behrens 1914)
Die Einbindung dieser Eventarchitektur in das Stadtgefüge lässt
durchaus auch so manchen Zweifel aufkommen, zu sehr erinnert z.B.
die all zu glatte, wenig gestaltete Glasfront zur Stübelallee
(Volksmund: "Aquarium") an amerikanische Stadtkonzepte,
in denen "Stadt" lediglich als motorisierter Transitraum
einer Millionenregion verstanden wird. Wo bleibt die europäische
Stadt?
Schon Peter Behrens, Pionier der modernen Architektur, konstatierte
im Aufsatz: "Einfluss von Zeit- und Raumnutzung auf moderne
Formenentwicklung" im Jahrbuch des Deutschen Werkbundes 1914
das hohe Tempo, mit dem wir uns auf Rädern durch die Stadt bewegen:
"Eine Eile hat sich unser bemächtigt, die keine Muße
gewährt, sich in Einzelheiten zu vertiefen. Wenn wir im überschnellen
Gefährt durch die Straßen unserer Großstädte
jagen, können wir nicht mehr die Einzelheiten der Gebäude
gewahren. Eben so wenig können vom Schnellzug aus Städtebilder,
die wir im schnellen Vorbeifahren streifen, anders wirken als nur
durch ihre Silhouette."
Ein international berühmter Autokonzern hätte intelligentere
Antworten finden können, wie er in seiner Firmenarchitektur auf
die von ihm geschürte Mobilität angemessen
reagiert.
Wenig Regionalbezug, aber innovativ
Darüber hinaus scheint sich die Gesamterscheinung des Autowerks
mehr dem Marketingkonzept des VW-Konzerns unterzuordnen, als das sie
in Farb- und Materialwahl irgendeinen Bezug zu Dresden aufnehmen würde.
Einziges kurioses Zitat und Zugeständnis für Dresdner Befindlichkeiten
sind die originalen Ruinensteine, beim Freilegen der Baugrube aus
den Schuttresten vom alten Ausstellungs- gelände geborgen, die
nun wie wertvolle antike Relikte hübsch gruppiert ins kurzgeschnittene
Gras gelegt wurden. Ist's Schmuck, ist's Mahnung, sind's die Trümmer
einer anderen Zeit? (Das ionische Säulenkapitell stammt von der ehem. städt. Kunsthalle, errichtet 1914-16 v. Hans Erlwein.)
Trotzdem - auch wenn sich das coole VW-Werk ästhetisch schwer
in die südlich geprägte Wärme des sächsischen
Elbtals einpasst - die "Gläserne Manufaktur" auf
dem ehemaligen Ausstellungsgelände führt die alte Dresdner
Tradition von Innovationskraft in einer ganz neuen anspruchsvollen
Verbindung von Kunst und Technik fort. Eine Investition für Dresden,
die sich gelohnt hat, eine große Signalwirkung zudem für
die Zukunftsfähigkeit der Elbestadt.
Der neue Bentley – aus Sachsen
Arbeitsplätze schafft der britische Phaeton-Bruder wohl nicht, aber
er macht die Jobs in Dresden sicherer, SZ
vom 05.10.04
Nur rund 25 Fahrzeuge werden pro Tag von den ca. 800 Mitarbeitern
des Dresdner VW-Werkes produziert.
Noch mehr Bilder und Beschreibungen des Dresdner VW-Werkes:
www.stahl-info.de/schriftenverzeichnis/pdfs/SF042-GlaeserneManufakturDresden.pdf
Architekturbüro Henn
Gunther Henn ist der Sohn vom
Architekten
Walter Henn (1912- 2006), der in Dresden von 1934- 37 bei Wilhelm
Kreis an der Akademie der Künste Architektur studiert hatte, nach
1945 die TH Dresden mit aufbaute (u.a. Auftrag der sowjetischen
Mitlitäradministration zum Bebauungsplan der TU Dresden und diverse
TH-Gebäude der frühen Nachkriegszeit). Ab
1952 als
Gastprofessor an die TH Braunschweig und später Übersiedlung in die
BRD. Der Nachlass von Walter Henn befindet sich in Dresden (SLUB).
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Menschen hinter Glas:
Blick ins VW-Innere
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