|
Architekten: Richard Paulick,
Friedrich Wilhelm Wurm
Bauzeit: ___1954- 60
Adresse:.__
Friedrich List Platz / Hochschulstraße Mosaiken:
Hermann Naumann
Homepage
der jetzigen Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden: www.htw-dresden.de
"Zum großen Komplex der 1952 gegründeten Verkehrshochschule
gehören das dominierende Lehrstuhlgebäude, verschiedene
Seminare und Internate sowie eine Mensa. Der neungeschossige Kopfbau
des Hauptgebäudes, ein typisches Beispiel für die DDR-Architektur
der 50er Jahre, besteht aus Stahlskelett-Konstruktion mit einer aufwändigen
repräsentativen Verkleidung: im Sockelgeschoss aus Sandstein,
in den Obergeschossen aus Meißner Keramikplatten. Lisenen gliedern
die Fronten, abgeschlossen wird der monumentale Bau von einem Flachdach
mit umlaufender Ballustrade. Ein mittiger gläserner "Kasten"
markiert den Haupteingang, hinter dem sich das theatralisch inszenierte
Treppenhaus befindet. Die seitlich und quer an den Hauptbau angefügten
Seminar- und Laborgebäude besitzen jeweils nur vier bzw. fünf
Stockwerke."
(Architekturführer Dresden 1997)
Vom Rückblick in die Baugeschichte zum Vorausblick in die
keimende DDR-Moderne
Das Hauptgebäude der jetzigen Hochschule für Technik und
Wirtschaft fällt tatsächlich durch seine Reduziertheit historischen
Formenvokabulars auf. Relativ klare kubische Baukörper stoßen
aufeinander. Nur die Rundbögen in den Erdgeschossen der Querflügel
und die Gesimse unter der Attikazone erinnern noch schwach an die
auslaufende historisierende, sogenannte "Nationale Tradition".
Auch im Inneren kann man erstaunlich abstrakte, farbige Mosaike an
den Wänden des Treppenhauses erkennen, die man nun wirklich nicht
"theatralisch" bezeichnen kann. Sie stammen vom Dresdner
Künstler Naumann, dessen moderne Komposition Paulick durchaus
beeindruckte.
Im Gegensatz dazu steht der direkt an die Verkehrshochschule anschließende
längliche Seminarflügel, der noch ganz in einer neobarockisierenden
Bausprache gehalten ist. Klassische verputzte Fassade, Bossenquader
in der Sockelzone, leicht hervorspringende Risalite, Verdachungen,
Balustraden mit einem schmückenden plastischen Abschluß
(geflügelter Globus als Symbol des Verkehrs und Mobilität).
Der große Hörsaal befindet sich im Querriegel des Hofes
und mutet von außen wie ein barocker Festsaal an. Wenig deutet
auf die eigentliche innere Funktion hin. Äußere Form und
innerer Zweck ergeben keine eigentliche Einheit. Aber an diesem Bautrakt
der Verkehrshochschule wird das Architekturkonzept deutlich, daß
die DDR damals präferierte: Betonung einer apostrophierten volkstümlich-verwurzelten deutsch-sächsischen Kultur über das im Westen
erhobene Primat des zu Baudoktrin festgesetzten Funktionalismus. Lokale Bezüge werden in diesem Lehr- und Forschungsgebäude
kombiniert mit würdevoll-autoritäten Gesten offizieller
Staatsarchitektur.
Erstaunlich ist die Betonung auf eine "örtliche Barocktradition
mit durchlaufenden gleichen Achsteilungen und vorgezogenen Lisenen."
- während sich die Dresdner Baugeschichte des Reformzeitalters
nach 1900 sowie die Architektur nach dem I. Weltkrieg bereits deutlich
von einer Tradition gelöst hatte.
In der
Baugeschichte der Verkehrshochschule muss erwähnt werden, dass es
bereits eine Vorläuferplanung gab und zwar von Prof. Walter
Henn (Anfang der 1950er Jahre: Aufbauleitung der TH Dresden).
Im sich entwickelnden Formalismusstreit wurde sein moderner Entwurf
von der Bauakadmie allerdings wegen des Fehlens eines volksnahen
Realismus abgelehnt. Als zudem Henn auch einen Ruf an die TH
Braunschweig annahm, wurde Paulick 1953 mit dem Bau beauftragt, der
verantwortliche Organisationsleiter der Großbaustelle Stalinallee in
Ostberlin.
Allerdings sind von seinem großen Masterplan für den Campus der
Verkehrshochschule im westentlichen nur ein verkürztes Hauptgebäude
und das Seminargebäude errichtet worden. "Es blieb das einzige
direkte Derivat der (Ostberliner) Stalinallee im Stadtbild von
Dresden." 1)
Erstaunliche Wendung
Am ganzen Ensemble der Verkehrshochschule kann man gut den Übergang
der DDR-Architektur in den 50er Jahren ablesen, der immer noch zu
einer der erstaunlichsten Wendungen in der Geschichte Ostdeutschland
gehört.
Ansicht von der Hochschulstraße - Quelle: Deutsche Architektur
1954, Heft 1, S. 43 (hier noch mit mächtigen Eckakroterien an der
oberen Balustrade, die dann beide nicht gebaut wurden)
Der städtebauliche
Plan zeigte die geplante Überbrückung
der Schnorrstraße. Zudem wurde der Südflügel nicht
gebaut.
Grundriss Verkehrshochschule,
der Südflügel wurde nicht gebaut.
Städtebau
Der
Komplex der neuen Verkehrshochschule bringt eine bessere städtebauliche
Anbindung des Hochschulviertels südlich des Hauptbahnhofes an
das Zentrum. In der Planung allerdings entwarf Richard Paulick 1954 einen
völlig überdimensionierten neuen Stadtraum als monumentale
aufgeweitete Platzanlange südlich des Hauptbahnhofes:
Gesamtplan vom Dresdner Hochschulviertel, einschließlich
Studentenwohnheime -
Plan: "Deutsche Architktur" 5/1955. Endpunkt dieser Nord-Süd-Achse
hätte ein pompöser Kuppelbau für das Auditorium Maximum gebildet. Die
Verkehrshochschule sollte die östliche Platzwand der Anlage bilden.
Dieser städtebauliche Entwurf von Paulick wurde nur zu einem Bruchteil verwirklicht.
Stadtmodell Dresden 1954,
Foto
komplett, Quelle: ehemaliges Entwurfsbüro für Hochbau Dresden.
Neue
Tradition
Forschungsschwerpunkt an der TU Dresden
Stephanie Oppitz: Dissertation:
"Architekturkontrolle
in der DDR 1953-1957"- TU Dresden
Hintergründe sogenannter "Stalinistischer Architektur"
der ehemaligen Sowjetunion als kulturelles Vorbild der Deutschen
Demokratischen Republik hat vorzüglich aufgearbeitet das:
Schusev State Museum of Architecture - Moscow www.muar.ru
Ein ähnlicher Bau war z.B. das Hotel
Moskwa von 1935 nahe dem Kreml, welches 2004 abgerissen
wurde und mit neuer Tiefgarage gleich danach annähernd bis 2012
rekonstruiert wurde. Als Klassiker des stalinistischen Neoklassizismus
diente es einer ganzen Architektengeneration der DDR als
Anschauungsbeispiel. Foto: 2013 TK
Aber auch in Dresden war der Größenwahn noch nicht aus den Köpfen: Bert Linke Wachwitz z.B. entwarf 1946 ein 70m hohes, 15-stöckiges
Kulturhaus für Dresden am Rand des Großen Gartens in maßloser
monumentaler Protz- und Prunksucht.
Foto (aus: Zeitschrift Baumeister 1946 Heft 2/3 Rundschau S.14)
Lesetipp: Stefan Heym: "Die Architekten"
Die dekorierende Periode der frühen DDR-Architektur und der folgende
reformierte Stil des Übergangs zur industriell gefertigten Bauweise
beschreibt Heym politisch engagiert und sensibel in seinem Roman "Die
Architekten". Dieses Buch durfte nicht in der DDR verlegt werden
und erschien auf Deutsch erst im Jahr 2000. Darinnen wird der Schrecken
des Stalinismus mit der Thematik persönlicher Lügen und
Heuchelei verflochten, die sich als Metapher auch an den Fassaden
der Prachtstraße "Straße des Weltfriedens" widerspiegelten.
Die negativ empfundene, heimatliche "Zuckerbäckerarchitektur"
wird bei Heym gleichgesetzt mit Diktatur und Unehrlichkeit, ohne den
historischen, weltpolitischen und kunstgeschichtlichen Hintergrund
in seiner ganzen Komplexität auszuloten. Trotzdem ein Muss zum
Verständnis der Architektur dieser Zeit im Osten Deutschlands.
S.Heym, Die Architekten, München 2000 (geschrieben 1963-66, erstveröffentlicht
nur in Englisch durch den Verlag Cassell's in London 1967)
Hochschule für Technik und Wirtschaft 2005
Hochschule für Technik und Wirtschaft (Querflügel) 2005
Hörsaal in neobarocken Formen. Foto: Dez. 2007
Laborgebäude 2002-03
von Burger Rudacs Architekten
http://das-neue-dresden.de/laborgebaeude.html
Neubau Bibliothek 2006
von
ReimarHerbst Architeten (Berlin)
Die Bibliothek befindet sich auf dem Campus der HTW auf der Andreas-Schubert-Straße.
Entwurf: 2002, Ausführung: 2003- 06
www.reimarherbstarchitekten.de
Aufnahmen vom gesamten Campus der HTW
http://rgal.rz.htw-dresden.de
Richard Paulick (1903- 1979) - ein deutscher Architekt zwischen
Moderne und Klassik
studierte
in Dresden, später in Berlin an der TU Charlottenburg.
1926 experimentierte
er mit einem Stahlhaus in
der Bauhausstadt Dessau (siehe Foto rechts von 2004).
Wirkliches Aufsehen erregte er aber erst mit der gemeinsam mit Hans
Zweigenthal entworfenen Hochgarage
an der Berliner Kantstraße. Ihre klaren Linien wurden 1930 als Symbol
für die autogerechte Zukunft der Stadt gefeiert.
1933 emigrierte er nach Shanghai, wo er für
das Büro Modern Homes tätig ist.
1940 Eigenes Büro mit seinem Bruder Rudolf. 1942 Professor der amerikanischen
St.John´s University in Shanghai. 1944
Leiter des Stadtplanungsamtes Shanghai, später der Hochbau-Abteilung
der Shanghai-Nanking-Eisenbahn.
Nach der Flucht aus China 1950 (seit 01.10.1949 "Volksrepublik"
unter Vorsitzenden Mao Zedong) war Paulick von 1952- 55 maßgeblich
am historisierenden Wiederaufbau der Berliner Staatsoper Unter den
Linden und deren Anbauten dahinter beteiligt. Ebenso leitete
der
Achitekt 1962-64
den kompletten Neuaufbau
des im Krieg stark zerstörten Prinzessinnenpalais, Unter den Linden
5 als Operncafe.
Er schloß damit wieder die östliche Seite des "Forum
Friderizianums". Beide Gebäude sind keine sklavische Kopien, sondern
schöpferische Interpretationen. Gerade der Zuschauersaal der
Staatsoper ist eine komplette Neuschöpfung (in Anlehnung an den
Mamorsaal in Potsdam Sanssouci). Dagegen sollte das moderne Innenleben
des Kronprinzenpalais (Wiederaufbau 1968-70) eine klare Zukunftsorientierung verdeutlichen.
Opernhaus Berlin, Unter den Linden - nach dem Wiederaufbau
1955
Der überzeugte Kommunist entwarf in Ostberlin ebenfalls die Sportwettkampfhalle
an der Stalinallee in Berlin-Friedrichshain in pompöser neoklassizistischer
Form der "Nationalen Tradition", die heute nicht mehr existiert, sowie
die Blöcke C Süd und Nord. Bei Kollegen hatte er den Spitznamen "Der
rote Schlüter".
"Deutsche Sporthalle", Berlin, Karl-Marx-Allee,
Aufn. 1954
1951 Leiter der Meisterwerkstatt III an der Deutschen Bauakademie
in Ostberlin.
1952 Direktor des Instituts für Wohnungsbau der Deutschen Bauakademie
in Ostberlin.
1955 Vizepräsident der Deutschen Bank für die Projektierung des Nationalen
Aufbauprogramms.
1957 Chefarchitekt und Leitung des Aufbaubüros in Hoyerswerda.
1960 Mitglied des wissenschaftlich-technischen Beirats des Ministeriums
für Kultur.
1962 Chefarchitekt von Schwedt.
Geplant und projektiert hat der Gropiusschüler Richard Paulick
später eines der größten Wohnungsbauvorhaben der DDR:
Halle Neustadt, mit dessen Aufbau im Juli 1963 begonnen wurde.
Neben dem Konzipieren der neuen Stadt bemühte sich Paulick aber auch
um den Erhalt historischer Altstädte wie z. B. Quedlinburg.
Richard Paulick steht mit diesem reichen uvre wie kaum ein anderer
deutscher Architekt für die ganze Spannbreite des 20. Jahrhunderts
zwischen Aufbruch zur Moderne und Besinnen auf deutsche bzw. europäische
Bautraditionen.
Literatur:
1) Valentin Hammerschmidt: Die Gebäude der Hochschule für
Verkehrswesen in Dresden und ihre Weiternutzung durch die
Hochschule für Technik und Wirtschaft, In: M. Gibas/P. Pasternack
(Hrsg.): Sozialistisch behaust & bekunstet, Hochschulen und ihre
Bauten in der DDR, Leipzig 1999,
Der gesamte Text als PDF
Gisela Raap: Die Mosaiken im
Haupttreppenhaus der HTW Dresden. Zum 80. Geburtstag des Künstlers
Hermann Naumann, In: WISSEND. Das Magazin der Hochschule für Technik
und Wirtschaft Dresden, 19. JG./ NR. 2/ 2011
Bauhaus-Tradition und DDR-Moderne. Der Architekt Richard Paulick,
von Wolfgang Thöner, Peter Müller, Deutscher Kunstverlag 2006
Manfred Müller: Das Leben eines Architekten. Porträt Richard Paulick, Halle 1975
Eduard Kögel: Zwei Poelzigschüler in der Emigration: Rudolf
Hamburger und Richard Paulick zwischen Shanghai und Ost-Berlin
(1930–1955), Dissertation, Weimar, 2006
Der gesamte Text als PDF
Ausstellung in
Berlin
Bild: Ausstellungsflyer Hermann Henselmann
Stiftung
„Bauhaus. Shanghai. Stalinallee. Ha-Neu.
Der Lebensweg des Architekten
Richard Paulick“ – ein Projekt der Hermann-Henselmann-Stiftung im
Rahmen der „Triennale der Moderne“ – war 2019-20 in Berlin zu sehen
und danach als Wanderausstellung in verschiedenen Städten, so auch im
ZFBK in Dresden.
Infos
Richard Paulick –
einer der bedeutendsten DDR-Architekten. Er begann sein
Architekturstudium 1923 an der TH Dresden und arbeitete später bei
Walter Gropius in Dessau. Von Tanja Scheffler. 14.01.2020. In:
https://tu-dresden.de
|
|
Wandmosaik im Treppenhaus von vom Künstler Hermann Naumann
Treppenhaus: großzügig und lichtdruchflutet (Foto: August 2018 TK)
Vergrößerung
Geflügelter Globus
und ein eichen-umkränztes Schmuckband mit dem Wort "Solidarität" -
(Foto: August 2018 TK)
Vergrößerung
Balustrade Seminargebäude
HTW
Haupteingang mit Treppe und Vorplatz, Foto: August 2018 TK,
Vergrößerung
Hauptgebäude (links im Bild und Anschluss an das Seminargebäude mit
Tordurchfahrt), Foto: August 2018 TK,
Vergrößerung
Bert Linke Wachwitz:
Entwurf
für ein Kulturhochhaus in Dresden 1946 |