Straßenbahnhof Waltherstraße
Monumentaler Verkehrsbau für einen effizienten Nahverkehr

 

Architekt: Hochbauamt unter Leitung von Paul Wolf
und seine Mitarbeiter: Rühle, Vischer, Fischer und Mittmann
Bauzeit:   1925- 26
Adresse:  Waltherstraße


 

Länge: 110 m
Breite: 43 m
Innenhöhe: 15 m
Max. Spannweite: 32 m
Konstruktionsmaterial: Stahlbeton
Tragwerksstruktur: Bogenbinder mit Zugbändern


Foto: um 1930

Der imposante Straßenbahnhof am westlichen Ende der Friedrichstadt ist ein unbestrittener Höhepunkt großstädtischer Verkehrsbauten im Dresden der 1920er Jahre. Im Sinne straff organisierter Organisationsabläufe steht das funktionale Gebäude für technische Innovation und komplexe Infra-strukturbauten. Bis zu 250 Fahrzeuge konnten gleichzeitig in der Halle untergebracht werden.
Nachdem in den ersten Pionierjahrzehnten des öffentlichen Nahverkehrs bereits einige kleinere Straßenbahndepots und -werkstätten in Naußlitz, Mickten, Reick, Tolkewitz, Bühlau entstanden waren wollte die Dresdner Hochbauverwaltung für den stark angewachsenen Fuhrpark der städtischen Bahngesellschaft eine zentrale Stell- und Reparaturhalle errichten. 1922 feierte die städtische Straßenbahn ihr 50-jähriges Bestehen. Aus diesem Anlass entstand unter der Leitung von Paul Wolf von 1925- 26 eine der größten Industriehallen Dresdens seiner Zeit.
Die Eingangshalle misst 110 Meter Länge, 43 Meter Breite und 15 Meter Höhe. Seitlich schließen sich sieben Wagenhallen an.
Leistungsfähiger moderner Spannbeton in flachen Scheiben wurde mit Glasoberlichtern kombiniert, die zeltartig gebogen eine eigenwillige zackige Silhouette ergeben und die Halle mit viel Tageslicht versorgen..
Die separate 80 Meter lange Reparaturhalle verfügte als erste Wartungsanlage Deutschlands über elektrische Wagen-hebestände und Schiebebühnen, was die Effizienz der Abläufe eindrucksvoll beschleunigte.
Das Erscheinungsbild des metropolenhaften Bahnhofes wirkt zeittypisch sachlich mit leicht spätexpressionistischen Einsprengseln, wie z.B. das treppenartig aufgebaute, durchbrochene Glasfenster in der Einfahrt, welches die Bögen der Halle in der Außengestaltung nicht wieder aufnimmt.
Aber auch die zackigen, abends von innen leuchtenden Glasdächer haben in ihrer Staffelung ganz klar expressionistischen Charakter.


Einfahrt in den Straßenbahnhof (Foto: Jan. 07)



Blick in die Einfahrtshalle (Foto: 2007)


Reparaturhalle
Dachlandschaft des Straßenbahnhofes (im Hintergrund: Bienertsche Hafenmühle von Lossow & Kühne 1912-13) - Vergrößerung


Blick in die Wagenhallen. Foto: Mai 08


Faszinierend gefaltete Glasdachlandschaften durch verschieden breite Wagenhallen. (Foto: Mai 08 TK)


Unentschiedene Fassade


Eine gewisse Stilmischung findet sich auch an den zur Waltherstraße gelegenen Betriebswohnungen für Straßenbahnangestellte wieder. Der langgestreckte Wohnblock ist konventionell mit einem ziegelgedeckten Walmdach gedeckt. Vorwärts strebender kommen die horizontalen Fensterbänder daher, die jedoch in der südlichen Hälfte des Gebäudes durch vertikal, prismatisch hervortrende Treppenhäuser unterbrochen werden. Das ergibt eine rhythmisierende Gliederung. Dennoch ist diese Gestaltung weniger spektakulär als die große Wagenhalle und bleibt unentschieden, da zu den widerstrebenden Bewegungen in der Fassade noch gestaffelte Rundbögen in der Erdgeschosszone hinzu kommen. In einzelnen Bögen finden sich dann wiederum rechteckige Fenster. Allerdings liegt in dieser Unruhe auch eine Aussage über die architektonischen Auseinandersetzungen der Zeit im Übergang zur Moderne in Dresden.


Betriebswohnungen an der Waltherstraße von 1926 (Foto: Jan. 2007)
Horizontales, Vertikales, Rundes - ergibt ein etwas unruhiges Erscheinungsbild.

Baubeschreibung und Konstruktion:
Der gesamte Bahnhofskomplex besteht aus einer großen, etwa 110 m langen und 43 m breiten Eingangshalle sowie sieben, an der Längsseite angeordneten Wagenhallen von je 80 m Länge und 13,40 m Breite. Das Konstruktionsprinzip ist für alle Hallen gleich, nämlich Bogenbinder mit Zugbändern auf eingespannten Stützen in Einzelfundamenten.
Die Aussteifung der Binder wird mit Pfetten vorgenommen. Zwischen den Pfetten spannt sich eine sehr schlanke, nur 6 cm dicke Dachschale. In regelmäßigen Abständen wird die Dachschale durch großflächige Oberlichter unterbrochen.
Alle Bauteile sind aus Stahlbeton, die Bewehrung, der damaligen Zeit entsprechend glatter Rundstahl verschiedener Abmessungen. Der Hallenboden mit der Gleisführung ist als Reparatur- und Wartungsgrube ausgelegt und konstruktiv als Trägerrost auf Stützen ausgebildet. (
Text aus einem Sanierungsbericht von Wiedemann Gmbh. Wenige Infos auf der aktuellen Homepage der Firma)

Mit der Eröffnung des neuen Betriebshofes in Gorbitz 1996 wird der Straßenbahnhof in Friedrichstadt nur noch sehr eingeschränkt genutzt.


Gesamtkomplex des Straßenbahnhofes mit der großen Eingangshalle und den seitlich anschließenden sieben Wagenhallen.

 




Spätexpressionistische Elemente prägen die Architektur der Betriebswohnungen

Wohngebäude an der Waltherstraße: Langgestrecktes und Hochaufstrebendes

Klarere Formen im Hof: Betriebsgebäude
Straßenbahnhof Tolkewitz

Moderne Verkehrsbauten im öffentlichen Nahverkehr gab es u.a. auch mit der Erweiterung des Straßenbahnhofes Tolkewitz im Osten der Stadt. Der hier 1899 begonnene Trambahnhof wurde 1924 bis 1927 an der Kipsdorfer Straße und an der Schlömilchstraße durch einen funktionalistischen Bau erweitert - ebenfalls vom Dresdner Hochbauamt.
Der 3-geschossige Anbau der ehemaligen Straßenbahn-Hauptwerkstatt strahlt in den typischen Formen neuer Sachlichkeit: mit einer Bandfassade, langgezogenen Fenstern sowie zwei halbrund auswölbenden Risaliten.
(Das Gebäude wurde nach 1934 noch um ein Stockwerk aufgestockt, was sich nach der Sanierung durch andere Fenstersprossung besser ablesen lässt.)
In dem unter Denkmalschutz stehenden Anbau sind nach der Sanierung 2018/19 Wohnungen errichtet worden, während der sonstige Straßenbahnhof zu einem Schulstandort umgewandelt wurde.


Straßenbahnhof Tolkewitz (Schlömilchstraße) nach der Sanierung, Foto: Th. Kantschew 2020, Vergrößerung