Postgebäude Neustadt
Ost-Kult der Sixties

 

Architekten: Wolfram Starke, Kurt Nowotny,
Günter Biermann
Gestaltung
Schriftzug "post":
Wolfram Starke
Adresse: Königbrücker Straße (ehem. Otto-Buchwitz-Str.)
Bauzeit: 1962- 64

"Das von der Straße zurückgesetzte, langgestreckte Hauptgebäude erhebt sich fünfgeschossig über einem Sockelgeschoß. Ursprünglich war eine Aluminium-Glas-Fassade vorgehängt, die einer modernen Wärmeisolierung weichen mußte. Da die Stahlbetonskelett-Fertigteilbauweise keine unterschiedlichen Raumhöhen zuließ, wurden Schalterhalle und Speiseraum in einem zweigeschossigen Anbau untergebracht. Beide Gebäude umschließen einen Vorplatz zum mit Porzellankacheln geschmückten Haupteingang (E.G. Clauss - siehe nebenstehendes Foto). Zur Lößnitzstraße kragt der in diese Richtung grossflächig verglaste Speisesaal über eine das Gelände abschließende Mauer hervor, die das Material des Sockels wieder aufnimmt. Zum Postkomplex gehören ein Pausenpark (H. LInke), Wohnhaus, und Fahrzeughallen. Trotz eines schon weitgehend industrialisierten Bauprozesses ist hier noch, wie auch bei ähnlichen Postgebäuden in Leipzig und Chemnitz, das Bemühen um eine repräsentative und ansprechende Gestaltung zu erkennen."
(Architekturführer Dresden 1997)


Stilwechsel von der Nationalen Tradition zur Internationalen Moderne

Das programmatische Hochhaus des SZ-Verlagsgebäude von Wolfgang Hänsch (1961) war das erste Gebäude, welches den internationalen Stil der Moderne auch nach Dresden brachte. Kurz danach folgte ein bemerkenswerter Baukomplex in der weitestgehend vom Krieg verschonten Äußeren Neustadt - die Post. Städtebaulich gingen die Architekten hier ganz andere Wege als es die vorhandene Struktur von traditioneller Blockrandbebauung und offenen Stadtvillen des späten Biedermeier vorgaben. Ein die historische Traufkante weit überragender kubischer Baukörper passt sich nicht dem gekurvten Straßenverlauf der Königsbrücker Straße an, sondern steht eigensinnig und kantig in einer eigenen Flucht.
Ein Reiz der Fassade des Hauptgebäudes besteht im Wechsel zwischen der wagerechten Betonung im Wechsel mit dem hochsenkrechten Streben des Treppenhauses.

Leider wurde die ursprünglich stringente Fassaden- Gestaltung mit langgezogen hellen Bändern bei einer "Sanierung" mit Styroporrplatten eingepackt und in seiner Gesamt-Ästhetik zum Nachteil verändert.

Beim genaueren Betrachten fällt die aufwändige Strinseitengestaltung auf. In der mosaikartigen Behandlung der Fassade mit klein zugeschnittenen Natursteinen spiegelt sich das Konzept der Nachkriegsmoderne, gestalterischen Wert weniger in einer schmückenden Aplikation als in der Qualität des Fassadenmaterials zu legen.
Für die städtische Öffentlichkeit von besonderer Bedeutung: ein kleiner intimer Stadtplatz, zu dem eine fein gestufte Treppe hinaufführt. Die Farbe Blau an der Stirmseite des Platzes setzt auch hier einen kräftigen Akzent im Stadtraum.

Jahre der Nichtnutzung führten zu Verfall und Verwahrlosung, der dieser kleine urbane Stadtraum mit seiner qualitätsvoll gestalteten Bodenfläche aus Steinplatten ausgesetzt ist. Auch täte die Entfernung des wildgewachsenen Buschwerks not, um den Baukörper in seiner Geometrie klarer hervortreten zu lassen - als Tipp an die Grünverwaltung!
Leider wird die Post, wie viele Bauten aus dieser Zeit der DDR-Architektur, immer noch als ungeliebtes Erbe betrachtet und wenig städtischer Aufmerksamkeit & Pflege zuteil. Der kleine Zeitungskiosk, den man z.B. als Kulturkiosk hätte umnutzen können, wie ein ähnliches Beispiel in Berlin Zehlendorf zeigt, ist 2005 abgerissen worden.

Die (schon lange geschlossene) Schalterhalle der Post steht jedoch unter Denkmalschutz.



Schriftzug   "p o s t"

Auch die orginelle Lechtreklame der Kleinbuchstaben "post" funktioniert schon seit Jahren nicht mehr und sollte dringend saniert werden! Wie während einer interessanten Recherche auf https://cms.sachsen.schule zu lesen ist, stammt die Neoröhren-Schrift "Post" vom Architekten Starke selbst, sowohl die mit Kleinbuchstaben in quer gestellten Neonröhren vorn, als auch mit Großbuchstaben durch vertikal gestellte Neonröhren auf der Rückseite des Gebäuudes.



Postkantine schließt Mitte Dezember 2013
Die Kantine wie der gesamte Gebäudekomplex gehört seit 1. März 2013 der Berliner Königsreal Investment GmbH. Dieser neue Besitzer verlangte etwa das Doppelte der Miete für die Kantine, was der Pächter Ehrhard Kleint nicht finanzieren kann. Nach 15 Jahren schließ sein Bistro. Die Zukunft dieses großzügigen Raumes der Moderne ist offen.
SZ vom 28.11.2013.



Der Blick zurück, der Blick nach vorn und wir mitten drin

Heute betrachtet man in Dresden diese zukunftpathetische Epoche eher mit kritischem Abstand. Orientierung sucht man stattdessen an den Tradtitionen des europäischen Städtebaus. Die selbstgewisse Aufbruchstimmung, der Optimismus jener 60er Jahre aber sollte uns Heutige in Zeiten von Umbruch und Unsicherheit an unsere eigene schöpferische Kraft gemahnen, die der alte Kontinent Europa immer aufgebracht hat. Neben der Konzentration auf den Wiederaufbau der historischen Dresdner Stadtmitte mit einigen Rekonstruktionen herausragender Barockbauwerke ist eine Auseinandersetzung über zeitgenössische Architektur in der sächsischen Landeshauptstadt, die ins Morgen verweist, ebenso wichtig.


Von Kurt Nowotny stammt übrigens auch das Hauptpostamt am Leipziger Augustusplatz (1961-64)

Buchtipp:
Vom Baukünstler zum Komplexprojektanten. Architekten in der DDR. Dokumentation eines IRS-Sammlungsbestandes biographischer Daten. Hrsg. Holger Barth, Thomas Topfstedt. Reihe Regio Doc 3, Erkner 2000.



SZ vom 04.05.2004
Unverbrauchtes Ost-Design
Das Postamt auf der Königsbrücker Straße ist eines der frühesten Zeugnisse modernen Bauens in Dresden
Von Siiri Klose

Die sechziger und siebziger Jahre haben in Dresden viele Gebäude hinterlassen, deren architektonische Bedeutung heute umstritten ist. In dieser Serie sollen einige davon vorgestellt werden. Heute: Das Postamt Königsbrücker Straße.

"Post – in alle Welt – aus aller Welt", buchstabiert ein recht junger Mann mit unverkennbarem Schweizer Akzent. Ein anderer nestelt eine Kamera aus seiner überdimensionalen Kurier-Tasche und fotografiert den Schriftzug. Eric und Tömie sind beide 20 Jahre alt und haben die Dresdner Neustadt als dringendstes touristisches Ausflugsziel genannt bekommen. Und dann steht da gleich am Anfang dieses Gebäude mit den schrägen Schriftzügen. Einmal krönt „POST“ die rückwärtige Seite des Hauptgebäudes. Dann steht „post“ über dem ehemaligen Eingangsportal. Der dritte „Post“- Schriftzug interessiert sie nicht so, der wurde 1998 über den neuen Eingang montiert – und sieht den beiden zu bieder aus.

Man muss das Postamt auf der Königsbrücker Straße wahrscheinlich mit jungen Schweizer Augen sehen, um diesen Details so viel Beachtung zu schenken. Für die Neustadt-Bewohner soll es in erster Linie seinen Zweck erfüllen, und da der Eingang seit sechs Jahren sowieso nicht mehr in der dafür konzipierten Empfangshalle liegt, gibt es auch wenig Anlass, ganz nebenbei das weiß-blau-dunkelblaue Kachel-Mosaik aus Meißner Porzellan zu würdigen, seitlich den alten Schließfächer-Raum mit den zerfransten Lederhockern zu entdecken oder überhaupt den groß angelegten Vorplatz zu betreten. „Mit Beratungs- und Großkunden-Bereichen hatten wir einen viel umfangreicheren Platzbedarf, deshalb wurde die Servicehalle ins Hauptgebäude verlegt“, sagt Post-Pressesprecherin Anke Baumann. Seitdem haben Sprayer den ungenutzten Teil für sich entdeckt – Moderne hin, Naturstein her – und dem Gebäude mit Silberfarbe einen räudigen Anschein verliehen.

Die Architekten Kurt Nowotny und Wolfram Starke haben das Postgebäude entworfen, 1962 wurde der Bau begonnen, ein Jahr später als das Hauptpostamt in Leipzig, das ebenfalls von Kurt Nowotny stammt. In Dresden ist es – nach dem Haus der Presse von 1961 und den (mittlerweile der Altmarktgalerie gewichenen) Einkaufspassagen im Innenhof der Webergasse – eines der ersten Gebäude, die nach der großen Bauwende 1958 entstanden. In zwei funktionale Bereiche unterteilten die beiden Architekten den Bau: Der augenfälligste ist das Verwaltungsgebäude, das heute die Postfiliale im Erdgeschoss birgt. Äußerlich wird die gleichförmige Fensterfront von schmalen Betonstreben flankiert, dahinter verbergen rote und blaue Fensterquadrate das Treppenhaus. Weit zurückgesetzt, so dass über ein paar Treppen ein Vorplatz entsteht, liegt der niedrigere, zweistöckige Kundenkomplex mit blaugekachelter Front und zurückgesetzten gläsernen Eingangstüren; das geometrische Kachelmuster daneben bannen die beiden Schweizer gerade aus allen möglichen Blickwinkeln aufs digitale Bild.

Richtig futuristisch erscheint die Kantine: Über einem Sandsteinsockel schiebt sich die Fensterfront des aufgesetzten Quaders weit vor. „Da isst auch heute noch die halbe Neustadt zu Mittag“, sagt Dietrich von Loh vom Dresdner Denkmalschutzamt.“ Viele Probleme gibt es nicht mit dem Postgebäude: Einzig die ehemalige Schalterhalle steht leer, sonst nutzt die Deutsche Post als Besitzerin fast alle Teile, selbst das kleine Wohngebäude ist vermietet.

Keine Spur von Materialmangel

„Das Postamt ist ein markantes Gebäude“, sagt Michael Müller vom Landesamt für Denkmalpflege, der die Schalterhalle 1995 in die Denkmalliste aufgenommen hat: „Es ist von hoher künstlerischer und gestalterischer Qualität, der Architekturmoderne in Westeuropa steht es in nichts nach.“ Keine Spur von Materialmangel und Plattenbau-Normen: Naturstein und Glas wurden aufwendig verarbeitet, die Stahlskelettbauweise und die Möglichkeiten des Betons fantasievoll genutzt.

Die beiden Schweizer haben inzwischen einen Briefschlitz entdeckt, auf dem in verschnörkelter sechziger-Jahre-Schrift „Briefe“ steht – auch er wird sofort ins digitale Fotoarchiv aufgenommen. „Solche Sachen sind spannend“, sagt Eric. Später will er Gestaltung studieren, schon jetzt lässt er sich von solchen Details für Internetseiten und Flyer inspirieren: „Ost-Design ist noch nicht so verbraucht“, sagt er.


Der Speisesaal - schließt Mitte Dez. 2013 ! (Foto: Nov. 2009)


Zukunft Postareal

Die DP Dresdner Projektentwicklungs GmbH & Co. Dresden-Neustadt KG wollte 2011 auf dem gesamten Areal ein
Stadtteilzentreum für die Neustadt mit Verbrauchermarkt errichten. Das Projekt kam u.a. wegen der Ansiedlung von Globus am alten Leipziger Bahnhof nicht zustande.

Vorhabenbezogener Bebauungsplan Nr. 663, Dresden-Neustadt, Ortsteilzentrum Äußere Neustadt - Postquartier Königsbrücker Straße, Infos unter www.ratsinfo.dresden.de

2014 plant der neue Besitzer der Immobilie, die Berliner Königsreal Investment GmbH, im leerstrehenden Bürohaus wieder Büronutzungen unter zu bringen. Mehr Infos:

Alte Post wird Bürohaus
Der Investor hat mit der Renovierung des Gebäudes begonnen. Wohnungen sind aber nicht mehr geplant.
SZ vom 27.05.2014



Postgebäude in Dresden Neustadt 1962- 64 von Kurt Nowotny und Wolfram Starke - 2004
Postschalterhalle und Speiseraum im 1. OG / (Foto 2004: TK)
(Alte Post-Reklame / Foto 2004: TK)

Eingang mit Meißner Porzellankacheln von E. G. Clauss / Foto 2004: TK
Post 1964
Post 1964 / Foto: Deutsche Fotohek - SLUBPost 1965
Post 1965 / Foto: Dt. Fotohek - SLUB Post, Zeitungskiosk und Speisesaal  1966
Post 1966 / Fotograph Schaal, Deutsche Fotohek - SLUB Speisesaal Post 1965
Post 1965 / Foto: Dt. Fotohek - SLUB
Fassade vor der Sanierung - 1964 / Foto: Dt. Fotohek - SLUB
Sternstunde der geometrisch-abstrakten Fotographie in Dresden: Fotograph: Döring 1965 / Deutsche Fotothek - SLUB

Post 1965 - Wechsel von Horizontale und Vertikale. Foto: Kramer / Deutsche Fotohek - SLUB

Gemusterter Vorplatz (Foto 2005 TK)

Feine kleine Mosaiken in zugeschnittenen Natursteinen an der Fassade (Foto: 05 TK)