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Architekt: |
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IPRO
Dresden (Leitung: Eberhard Burger)
www.ipro-dresden.com |
Bauzeit: |
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1996
- 2005 |
Adresse:
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Neumarkt
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Bauherr: |
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Stiftung
Frauenkirche Dresden
(Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsen, Freistaat Sachsen,
Stadt Dresden) |
Website:
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www.frauenkirche-dresden.de |
Archäologische Rekonstruktion
Die Frauenkirche wurde in ihrer originalen historischen Gestalt wiederaufgebaut.
Grundlage dafür bildeten die Baudokumentationen, die während der Restaurierungsarbeiten
vor und während des Zweiten Weltkrieges angefertigt wurden. Damaliger
Leiter der Arbeiten war der Stadtbaudirektor Paul Wolf.
Die im Feuersturm 1945 stehen gebliebenen Ruinenteile wurden in den
Wiederaufbau einbezogen. Darüber hinaus konnten 44 Prozent der originalen
Steine wiederverwendet werden. Sie wurden im Zuge der sorgfältigen
Enttrümmerung des 22.000 m³ großen Trümmerberges geborgen, identifiziert
und gelagert. Dieses mittels modernster Computertechnik möglich gewordene
Verfahren war ohne Vorbild. Unter anderem kam eine photogrammetrischen
Auswertung digitaler Aufnahmen der Fundstücke zur Anwendung. Alle
Daten, wie Maße, Fundstelle, eine Kurzbeschreibung mit Skizze des
Fundstücks und benachbarte Fundstücke sammelte man präzise in
einer Datenbank.
Im Sinne der vollständigen archäologischen Rekonstruktion wurde auch
die barocke Innenausstattung mit ihren geschwungenen Emporen, den
Malereien in der Kuppel, dem Fragmenten erhaltenen großen Altar und
der äußeren Gestalt der berühmten Orgel Gottfried Silbermanns, auf
der Johann Sebastian Bach in den Jahren 1736 bis 1739 mehrfach spielte,
wiederhergestellt.
Neubau: ein Bauwerk mit den Anforderungen fürs
21. Jahrhundert
Der unterirdische Neubau beherbergt auf 1.300 m³ die für die Nutzungsanforderungen
unserer Zeit erforderlichen Funktionsräume wie beispielsweise Garderoben
für Besucher, WC-Anlagen, Künstlergarderoben, Aufenthaltsräume, Technikräume
für Lüftung, Elektro- und Notstromversorgung und eine Trafostation.
Das als „Weiße Wanne“ entstandene Stahlbetonbauwerk umschließt das
Kirchgebäude U-förmig von Süden über Osten bis Norden und schmiegt
sich mit einer Bewegungsfuge an die Fundamente George Bährs an.
Die Frauenkirche selbst besitzt im Inneren eine Reihe gravierender
Veränderungen bezüglich des Gebäudes vor 1945. Dazu
zählen u.a. ein Fahrstuhl, um schneller zur Aussichtsplattform
zu gelangen (auch für Behinderte), eine hocheffiziente Warmluftheizung,
die auch als Klimaanlage wirkt (um die Holzeinbauten und die Orgel
zu schützen) oder eine auf die verschiedensten Nutzungsanforderungen
abgestimmte Licht- und Tontechnik uvm.
Unterkirche
In der Krypta, die ursprünglich als Begräbnisstätte diente, fanden
während der Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg zahlreiche Menschen
einen Schutzraum. Beim Wiederaufbau wurde hier eine Unterkirche eingerichtet
und 1996 geweiht. Heute finden in ihr Gottesdienste, Kirchenführungen,
Konzerte und Vorträge statt. Nach der Wiedereinweihung der Frauenkirche
wird die Unterkirche als Ort der Stille und des Gedenkens ein Raum
genutzt, in dem sich das Erinnern verdichtet. Dies drückt sich auch
in der beeindruckenden künstlerischen Gestaltung der vier Eckkapellen
sowie in dem monumentalen modernen Altar eines modernen israelischen
Künstlers aus.
Der Wiederaufbau
Die weltweit für Aufsehen und für weitere Wiederaufbau-
projekte Europas beispielhaft wirkende Rekonstruktion der Frauenkirche
Dresden ist eine hochoriginäre, eigenschöpferische Leistung,
der man nur höchsten Respekt zollen kann. Das Ergebnis besticht
durch eine außerordentlich hohe handwerkliche und ingenieurtechnische
Qualität. Der anfangs durchaus bei vielen Fachleuten und Architekten
umstrittene Wiederaufbau der Antikriegsruine ist nun nach der Weihe
der Kirche im Oktober 2005 - durch sein sichtbares Resultat eine überzeugende
Widerlegung der anfänglichen Skepsis über die Möglichkeit
eines exakten archäologischen Wiederaufbaus.
Textteile
aus: www.dresden.de,
www.frauenkirche-dresden.org
"Baustelle der Kobolde"
Unter diesen provozierenden Titel stellte Ira Mazzoni am 03.08.05
in der Süddeutschen
Zeitung ihre Rezension der Dresdner Ausstellung "ZeitSchichten"
im Wettiner-Schloss über den kritischen Rückblick auf 100
Jahre Denkmalpflege seit Dehio. Ihr Artikel beginnt mit einem Zitat
des Dresdner Kunsthistorikers Cornelius Gurlitt um 1900:
"Nirgends mehr die Gewissheit, ob das, was man vor Augen hat,
wirklich alt sei. Überall sitzt der Kobold, der einen zuruft:
Hüte dich, pass auf, ob du nicht eine stilvolle Ergänzung
für Altes nimmst." Mit "stillen
Grausen" registrierte der Dresdner Kunsthistoriker Cornelius
Gurlitt die Geschichtskreationen des späten Historismus. Wer
heute durch die "Barockstadt" Dresden streift, begegnet
an jeder Ecke solchen Kobolden. Nur wen kümmert's? Sehen sie
nicht wundervoll aus? Erheitern sie nicht die Sinne? Wer fragt schon
nach Alter und Zeugniswert?
- so die Journalistin Mazzoni aus München, einer Stadt, die sich
wie kaum eine andere in Deutschland um die Wiederherstellung ihrer
stadträumlichen Schönheit nach den Zerstörungen 1945
ins Zeug legte. In Dresden prallen 2005, im 100sten Jahr der ehernen
Dogmen von Dehios Denkmalpflegeprinzipien, die fast unversöhnlichen
Ansichten einer streng puristischen Haltung eines "Erhalten und
nur erhalten" auf die nicht minder puristische Ansicht von "Rekonstruieren
und nochmals rekonstruieren". In diesem Spannungsfeld steht der
Wiederaufbau der Frauenkirche und der kaum von diesem zu trennenden
Wieder- bzw. Neuaufbau seines stadträumlichen Umfeldes - dem
Neumarkt.
Ob die zahllosen Förderer und Spender des originalgetreuen Wiederaufbaus
der Frauenkirche nach der feierlichen Weihe des Gotteshauses Ende
Oktober 2005 die neuen Ausmalungen, den zusammengefügten und ergänzten
Altar oder gar das von den Engländern rekonstruierte Turmkreuz
als grässliche "Kobolde" von Imitaten begreifen oder
ob der geneigte Betracher sie nicht eher als Zeichen der Überwindung
von Hass, Grausamkeit und beispielloser Gewalt interpretieren soll,
hängt auch mit den Interpretationen von Dehios Lehren für
eine völlig veränderte Gegenwart ab. Jeder möge sich
selbst überprüfen, inwieweit Dehios Lehre nach der Zerstörung
von Guernica, Warschau, Belgrad, Kiew, Minsk, Hiroshima, Beirut, Bagdad,
Grosny und eben Dresden noch ohne jeden Abstrich Gültigkeit hat
oder ob eine mögliche Reform der unantastbar scheinenden Dehio
Denkmal-Lehre an der Zeit wäre.
Es könnte auch als Zeichen neuer deutscher Überheblichkeit interpretiert
werden, wenn hiesige Kunstwissenschaftler ihre Denkmalpflegeprinzipien
weltweit als die einzig gültigen und zeitlosen darstellen. Zuweilen
käme es evtl. nicht überall gut an, wenn der Kampf gegen den eigenen
überbordenen Historismus vor über 100 Jahren im damaligen deutschen
Reich nun, in einer vielschichtigen Moderne reaktiviert, global und
expansiv ausgedehnt werden soll.

Frauenkirchenruine kurz vor dem Wiederaufbau.
Vergrößerung, Foto: T.Kantschew
Feb. 1992

Frauenkirchenruine als Mahnmal
Vergrößerung, Foto: Inger Sørensen 1967

Wiederaufgebaute
Frauenkirche und rekonstruierte Bürgerhäuser am Neumarkt.
Vergrößerung.
Foto: Inger Sørensen 2007
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Computervisualisierung:
Innenansicht mit Säulen, Bögen und Kuppel.Foto: Ipro

Blick auf die Anfang 2005 fertiggestellten Kuppelmalereien

Anschluss von neuem an altes Mauerwerk

Erstes Probemauerwerk

Außenbauwerk im Bau
Unterkirche mit
neuem modernen Altar

Holzschalung und erste Sandsteine der Innenkuppel - 2003

Christoph Wetzel malte die neuen Kuppelgemälde 2004

Unter anderem fanden für die neuen Deckengemälde original
vorhandene Farbdias von 1944 Verwendung, die man überall im damaligen
"deutschen Reich" von 1943-45 von kriegsbedrohten Denkmälern
für einen möglichen späteren Wiederaufbau herstellen
ließ. Hier im Bild: die Figur der Barmherzigkeit der Innenkuppel
im Zustand nach der Sanierung 1943. Die Frauenkirche war von 1938
bis 43 mit einem immensen Aufwand innen und außen komplett in
Sinne einer Rekonstruktion des originalen Raumbildes saniert worden.
 
Neuer, zentral in der Mitte der Unterkirche aufgestellter Altar
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