|
Architekten: |
|
Jost
Hering und Manfred Stanek
(Werner Heier, Uli Hildner, Marlies Lantzsch,
Rüdiger Soll, Axel Theisinger. In Zusammen-
arbeit mit Prof. Schomers und Schürmann)
Website: www.as2-bremen.de |
Freiraum-
gestalung: |
|
Noack
Landschaftsarchitekten Dresden |
Bauherr:
|
|
ECE
- jetziger Besitzer: TLG-Immobilien |
Bauzeit: |
|
2001
- 03 |
Adresse: |
|
zwischen
Wallstraße und Altmarkt |
Erweiterung |
|
|
Architekten |
|
Manfred Schomers und Andreas Teigeler |
Bauzeit: |
|
2008 - 11 |
Adresse: |
|
Postplatz, Wilsdruffer Straße, Altmarkt |
Riesen-Shopping Center in der Alt- bzw. Kernstadt
Die Altmarkt-Galerie Dresden ist ein Erfolg. Tausende Konsumenten
bestätigen jeden Tag - die saubere, sichere, überdachte
Erlebniswelt auf drei Etagen mit Restaurants und direktem Parkanschluß
funktioniert. Wahrscheinlich auch, weil es sonst in Dresdens City
nicht all zu viel Alternativen eines intakten, halbwegs harmonischen,
normalen Stadtraums abseits der touristischen Highlights gibt. Der
Shopping-Riese trägt aber auch nicht unwesentlich zur Verdrängung
der wenigen noch erhaltenen Einzelhandelgeschäfte in der Innenstadt
bei.
Positiv einzuschätzen ist dagegen die kräftige Stärkung
der Kernstadt und eine Verlangsamung des unaufhaltsamen (?) Prozesses
der zersiedelten "perforierten Stadt" - mit Einkaufszentren
auf der grünen Wiese, Flächenfraß und Verödung
der Innenstadt bzw. Auflösung des herkömmlichen Stadtbegriffs
an sich.
Wohltuend:
ein kleiner Stadtplatz
Der riesige Gebäudekomplex besteht hauptsächlich aus drei
unterschiedlichen Blöcken, die jeweils mit gläsernen Passagen
miteinander verbunden sind. In Nord-Südrichtung verläuft
dann die eigentliche Shopping Mall im leichten Bogen. Durch das Hinzufügen
eines sechsstöckigen Bürohauses entsteht am Durchgang zum
Altmarkt ein kleiner Stadtplatz, benannt nach aus
Dresden stammenden SPD Politiker Herbert
Wehner (1906 - 1990). Dieser intime Stadtplatz ist zwar aufgrund
des ungünstigen Maßstabes zwischen Platzfläche und
Gebäudehöhe in seinen Proportionen unstimmig, trotzdem fällt
er neben der zugigen, unbehausten Weite des Altmarkt-Geländes
wohltuend auf. Die kleine Piazza vermittelt im Dresdner Chaos Geborgenheit
und ein Hauch Normalität.
Ebenso entwickelt die neu gestaltete Freifläche am Ring eine
angenehme urbane Vitaltät.
Lebensinsel, umbrandet von Verkehrsströmen
Von einem klassischen alteuropäischen Stadtgefüge mit normalen
öffentlichen Straßenräumen kann man allerdings nicht
mehr sprechen. Zu sehr wurde der alte Grundriss mit den seit dem Mittelalter
hier verbindenden Straßen überformt. Nur noch die Bezeichnungen
der Passagen "Scheffelgasse" und "Webergasse"
erinnern an die hier ehemals kreuzenden Wohn- und Geschäftsstraßen.
Wenigstens sie sind als durchlässige Passagen zwischen Altmarkt
und Antonsplatz geöffnet.
Mega-Struktur mit aufsaugender Sogwirkung Architektonisch
mag das rot-ziegelgedeckte Satteldach ein Zugeständis der Wiederherstellung
eines Altstadtcharakters sein - doch es wurde soweit zurückgesetzt,
daß es von der Fußgängerperspektive gar nicht mehr
zu erkennen ist.
Die drei Gebäude sind alle in der gleichen Architektursprache
gestaltet: sandsteinverkleidete Blöcke, durchbrochen mit wenigen
Glasfronten und herausragenden gläsernen Kuben, die jedoch weniger
als Schaufenster genutzt werden, sondern zweckfrei nur der optischen
Gliederung dienen. Betonungen erhielten die oberen Bürogeschosse
mit herausstehenden segelartigen Überdachungen in Edelstahl.
Im Vordergrund steht nach ECE "Funktionalität, kundenfreundliches
Ambiente und sorgfältige Materialauswahl". Das Topthema des Gebäudekomplexes
ist allerdings, möglichst viel Konsumenten sogartige ins Innere
des Kaufhauses herein zu ziehen. Dort findet die eigentliche Kommunikation
statt, während sich die Außenfassaden einer städtischen
Öffnung weitgehend verschließen. Das Innere wartet dann
auch mit einer Fülle spielerischer Details und wechselnder schmückender
Themenausstellungen wie Blumenschauen etc auf.
Einen individuellen Ausdruck erhielten das Bürohaus am Durchgang
zum Altmarkt in einem streng orthogonalen, quadratischen Raster und
das Übergangsgebäude vom Ring zur Galerie mit fast durchgängiger
transparenter Verglasung und blechverkleidetem Satteldach. Am Abend
entfaltet das farbige Innenleben des Glasbaus erstaunlich großstädtische
Reize. Eine aufwändige Glas-Stahl- Überdachung leitet zum
Eingangsportal des Shopping-Centers über.
Lichtarchitektur
Im nördlichen Teil der Altmarkt-Galerie in Höhe eines potentiellen
Durchgangs zur Wilsdruffer Straße wird der Passant am Abend
von einer farbigen Lichtarchitektur überrascht. In den Farben
Grün, Blau und Weiß strahlt die beleuchtete Rückwand
hinter den großflächigen Glas- scheiben und verströmt
so eine ganz eigene moderne Stimmung.
positive Freiraumgestaltung durch Gärten
Die Altmarkt-Galerie in Dresden ist am 19. Oktober 2004 vom sächsischen
Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft ausgezeichnet worden.
In dem Wettbewerb "Gärten in der Stadt 2002-2004" gewann sie in der
Kategorie "Öffentliche Räume/Parkanlagen" den 1. Platz.
Die Landesjury fällte ihre Entscheidung aufgrund der vorbildlichen
Verkehrs- und Freianlagen. In der Begründung heißt es: "Die Altmarkt-Galerie
weist inmitten einer steinernen innerstädtischen Bebauung eine Grüngestaltung
auf, die den historischen Bezug des zentral gelegenen Ortes mit seiner
Geschichte und Architektur aufgreift". Die Begrünung der Freiflächen
und des Daches sei mustergültig in die bestehende Bebauung mit ihren
historischen Bezügen eingepasst. Zudem sei es gelungen, den Erwartungen
der Kunden und der Beanspruchung aufgrund der hohen Besucherzahl auf
originelle Weise mit einer nutzungs-gerechten Aufteilung, hochwertigen
Materialien und der Einbeziehung von Kunst gerecht zu werden. Die
attraktiven Ruheplätze und die grünen Oasen fügten sich hervorragend
in die Umgebung ein. Gleichzeitig werden ökologische Gesichtspunkte
berücksichtigt. Der Investitionsaufwand habe sich im Hinblick auf
Qualität und Originalität der umgesetzten Gestaltung gelohnt.
Im Bild rechts: Geborgene, originale Sandsteine der ehemaligen Barockhauskeller,
die - zusammengehalten von einem Drahtgeflecht - als neue Gartengestaltungselemente
in Form von hüfthohen Mauern fungieren.
Lichtarchitektur im Hinterhof - Foto: TK - 2011
|
|
Altmarkt Galerie 2004 noch ohne die Erweiterung zur Wilsdruffer Straße hin.
Eingang zur Altmarkt Galerie vom Altmarkt aus. Foto: TK 2004
Glaskuben als Schaufenster
Bürohaus: Orthogonales Raster
Glasneubau zum Ring hin
Nachts verwandelt sich diese Lichtwand in ein faszinierendes Leuchten.
Treppenhaus
Einzig einbezogenes
Kellergewölbe von ca. 1320 (!) im Untergeschoß der neuen Altmarkt-Galeria,
als "Weinkontor" in den Neubaukomplex integriert.
Rolltreppen in der Altmarkt-Galerie
|
|
Altmarkt-Galerie
vom Postplatz aus
Das einstige Intecta-Haus
am Altmarkt wurde saniert und in die Erweiterung einbezogen. Das
daran anschließende 1920er Jahre-Kaufhaus ersetzte ECE wie ebenso das
DDR-Bürohaus durch einen Neubau.
Der Plan zeigt
die Erweiterungsfläche. Entlang der Wilsdruffer Straße entstehen zwei große Gebäude. Die bisherige Altmarkt-Galerie wird direkt verbunden.
An der Wallstraße kann nach Ansicht der Stadt ein weiteres Geschäftshaus
entstehen, konkrete Pläne gibt es aber noch nicht.
"Modellbauer Andreas
Hegewald erläutert die geplante Erweiterung der Altmarkt-Galerie.
Zwei große Gebäudekomplexe, vorn im Bild, sollen an der Stelle des
Linde-Hauses zwischen Altmarkt und Postplatz errichtet werden. Zwischen
ihnen entsteht nach historischem Vorbild die Tuchmachergasse." Foto:
Steffen Unger (Pfeil: TK 2011)
Diese Behauptung in der Sächsischen Zeitung vom 29.11.2008 war
allerdings ein Promotion-Trick der ECE als reine optische Täuschung. Die
neue, real gebaute Gebäudezeile besteht n i c h t aus
zwei verschiedenen Komplexen, sondern ist eine einzige lange,
zusammenhängende Mall. Noch dazu ist dieser Ausgang nach Ladenschluss und am Sonntag abgeschlossen. Eine angebliche Wiederherstellung der alten Tuchmachergasse an dieser Stelle ist ein Bluff. Die in der Planung suggerierte Durchlässigkeit des abriegelnden neuen Bauteils war eine List, auf die die insistierenden Stadtplaner mit ihrem damaligen Chef Andreas Wurff hereingefallen waren.
Eine "neue städtebauliche Qualität in diesem Innenstadtbereich", die ECE auf ihrer Homepage herbei redet, ist leider nicht zu erkennen.
Die 2012 eröffneten Höfe am Brühl in Leipzig zeigen, wie man sehr wohl eine große Gebäudemasse in verschiedene Bauteile gliedern kann. Ja - sogar eine Straße kann durch den Komplex durchführen. Visualisierung
|
|
|
Abgeriegelt: Erweiterung der Altmarkt-Galerie zur Wilsdruffer Straße - 2011
Der neue Chef-Stadtplaner Stefan Szuggat in der SZ vom 02.05.2011:
Von der architektonischen Qualität der Altmarkt-Galerie ist Szuggat enttäuscht. „Das ist ein funktionaler, schlichter und kommerzieller Bau. Aber in anderen Städten hat die ECE architektonisch schon mehr geboten.“
Während der Kernbau der Altmarkt-Galerie
von 2003 auf ein abgeschlossenes Hofquartier beschränkt war, zeigen die Fassaden der Erweiterung zu den viel "realeren" Stadträumen Wilsdruffer Straße und Postplatz. Zu diesen "Schauseiten" konnte man
Erwartungen eindeutig höher schrauben. Der nun aber fertig gestellte Anbau bietet tatsächlich vom Äußeren einen mehr als enttäuschenden Eindruck. Es ist an dieser Stelle nicht gelungen, die einstige Propaganda-Straße in einen Boulevard mit eigener Ausstrahlung umzuwandeln. Dazu tragen nicht nur die viel zu schmalen Bürgersteige und das fehlende Grün bei. Es stört vor allem die mangelnde Differenzierung der extrem langgestreckten Bauzeile, die noch den Advanta-Riegel von Tesar in den Schatten stellt. Die städtebauliche
Gelegenheit, eine die halbe Altstadt durchquerende Innenstadtstraße durch Öffnung der Zeile aufzulockern, wurde schmerzhaft ignoriert bzw. die Öffentlichkeit wurde im Vorfeld bewusst getäuscht. Eine Tuchmachergasse ist nirgend zu finden.
Aus Gründen der angestrebten Gewinnsteigerung wurden darüber hinaus die wenigen Arkaden nicht fortgesetzt. Glätte, architektonische Einfallslosigkeit und flaches MIttelmaß ist das Ergebnis dieser Architektur von Schomers und Teigeler. Anstatt Abwechslung und lebendige Vielfalt in die Innenstadt zu bringen, wurde fast die gleiche Architektursprache des "Altbaus" gewählt. Das ästhetische Ergebnis dieser neuen Megastruktur ist Wiederholung, Langeweile und ein Ärgernis für Dresdens anzustrebende hohe Baukultur der Gegenwart.
Lediglich im Inneren entfaltet die neue Galerie einen gewissen Glanz, der aber eben ganz auf die innere Autonomie des Gebäudes beschränkt bleibt.
Wettbewerbsplanung im Bild rechte Spalte aus dem Jahr 2000.
Schwarz: geplante Neubauten. Davon Blau markiert von TK: westliche
Altstadt zwischen Altmarkt, Wallstraße und Postplatz. Sämtliche
DDR-Gebäude zwischen Wilsddruffer Str. und Webergasse sollten ersetzt
werden durch eine Anlehnung an den Vorkriegszustand mit
Blockquartieren im historischen Straßenraster. Bereits ein Jahr später
im Jahr 2001 wurde mit der neuen Shoppingmall der ECE und später mit
deren Erweiterung 2008-11 eine komplett andere Figuration in dieses
Areal implementiert, die mit frei zugänglichen Stadträumen kaum noch
was zu tun hat.
Vergrößerung
Text: Thomas
Kantschew 2004 / 2011 /2023
|
|
Foto: www.stadtbild-deutschland.de
Ausschnitt aus einem Dresdner Stadtplan (1862), blau markiert: Tuchmachergasse, die eine Nord-Süd-Querung aller Quartiere ermöglichte.
Planungsstand im Jahr 2000 unter der Ägide von Gunter Just (Dezernent für Stadtentwicklung Dresden).
|