Der »Vater« einiger Dresdner Wohnheime

Zum 100. Geburtstag des Dresdner Architekten Wolfgang Rauda

Von: Manfred Zumpe

Dresdner Universitätsjournal 11/2007

Am 2. Juni 2007 jährte sich zum 100. Mal der Geburtstag von Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Rauda.
Der Bauforscher, Architekt und Hochschullehrer, Sohn des in Dresden sehr bekannten Architekturprofessors Fritz Rauda, der bis zur Zerstörung der Stadt am 13.Februar 1945 an der damaligen Technischen Hochschule lehrte, war mit der Stadt Dresden sehr eng verbunden.
Im humanistischen Gymnasium »Zum heiligen Kreuz« erfuhr Wolfgang Rauda eine um-fassende Allgemeinbildung im Sinne bürgerlicher Ideale. Sein Studium der Architektur absolvierte er bis 1930 in Dresden und in Stuttgart. Dort wurde er insbesondere von Paul
Bonatz geprägt, mit dem ihn bis zu seinem Tode eine enge Freundschaft verband. Mit seiner Dissertation über den mittelalterlichen Stadtgrundriss Dresdens, insbesondere im Bereich des Residenzschlosses, begab er sich auf ein Forschungsgebiet, das ihn sein ganzes Leben beschäftigte: »Der historische Städtebau«. In der Zwingerbauhütte als Mitarbeiter von Hubert Ermisch bereitete er sich für die zweite Staatsprüfung vor und begann 1934 als Regierungsbaumeister seine berufliche Tätigkeit in der Reichsbauverwaltung.

Gleich nach Kriegsende arbeitete er als freischaffender Architekt, beteiligte sich sehr intensiv an Architekturwettbewerben, u. a. zum Neubau eines Belvedere auf der Brühlschen Terrasse, plante den ersten Kirchenneubau in der DDR – die Bethlehemkirche in Dresden-Tolkewitz –, baute das Kirchgemeindehaus in Bischofswerda, eine Poliklinik in Pirna-Heidenau und vieles andere mehr. Diese erfolgreiche Tätigkeit führte im Jahr 1952 zur Berufung auf den Lehrstuhl Wohnungsbau und Entwerfen an der Technischen Hochschule Dresden. Nun begann für Rauda eine außerordentlich arbeitsreiche und fruchtbare Zeit. In kürzester Zeit wuchs sein Lehrstuhl an zu einem stattlichen Team, wovon die heutigen Architekturprofessoren nur träumen können: acht Assistenten und wissenschaftliche Mitarbeiter, zwei Sekretärinnen, ein Mitarbeiter für die Bibliothek und Diasammlung, eine Fotografin und ein Botengänger. Hinzu kam das Entwurfsinstitut – untergebracht in einer Villa auf der Strehlener Straße.


Bethlehemkirche in Dresden Tokewitz als erster Kirchenneubau der DDR - gebaut: 1951
(Foto: 1966)


Für Wolfgang Rauda war es ein ganz elementares Bedürfnis, an möglichst vielen internationalen und auch bedeutenden nationalen Architektur- und Städtebauwettbewerben teilzunehmen. Er spann ein imponierendes Netz von internationalen Beziehungen und die da-mit ausgelöste Korrespondenz war gewaltig.
Der Aufbau dieser Beziehungen war notwendig für seine große Leidenschaft – die Erforschung, Darstellung und Rezeption städtebaulicher Raumbildungen, insbesondere der im Mittelalter und den darauf folgenden klassischen Bauepochen entstandenen Platzanlagen.
Neben der Arbeit an seinem großen Lehrstuhl leitete er sein Entwurfsinstitut, mit dem er umfangreiche Planungen, insbesondere für Hochschulbauten, realisierte, darunter die Studentenwohnheime in der damaligen Reichsstraße (danach Juri-Gagarin-Straße, heute Fritz-Löffler-Straße) und der Güntzstraße.


Studentenwohnheim Gagarin-Straße

Seine große Leidenschaft war die Erkundung und wissenschaftliche Untersuchung städtebaulicher Raumbildungen, zunächst in Deutschland, später in ganz Europa, und ihre baukünstlerische Wirkung. Diese Leidenschaft bedingte eine sehr umfangreiche Reisetätigkeit und führte schließlich zur Herausgabe von drei weit über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt gewordenen Büchern: »Lebendige städtebauliche Raumbildung, Asymmetrie und Rhythmus in der deutschen Stadt«, »Raumprobleme im europäischen Städtebau« und »Die historische Stadt im Spiegel städtebaulicher Raumstrukturen«. Weitere Veröffentlichungen zu diesemThema erschienen in verschiedenen wissenschaftlichen Zeitschriften. Wolfgang Rauda war ein begnadeter Zeichner. Die von ihm ausgewählten Platzanlagen und Raumbildungen zeichnete er in einer ganz persönlichen, unverwechselbaren Darstellungskunst direkt vor Ort, und diese Arbeiten geben seinen Büchern einen großartigen Reiz.
Ende der 50er Jahre fühlte sich Wolfgang Rauda politisch bedroht. Als Professor ohne Parteizugehörigkeit bangte er um seine Existenz. Von einer Studienreise in westliche Länder kehrte er nicht mehr nach Dresden zurück.
In Hannover baute er sich eine neue Existenz auf, errichtete u. a. Kirchen, Schulen und Wohnsiedlungen. Nach einiger Zeit gelang es ihm, wieder eine Lehrtätigkeit über das Gebiet »städtebauliche Raumbildung« an der TU Hannover zu übernehmen.

Wolfgang Rauda wurde aufgrund seiner außerordentlichen Leistungen in viele Akademien und Verbände berufen, u. a. die Deutsche Akademie für Städtebau und Landesplanung, den internationalen Verband für Wohnungswesen und Städtebau, Den Haag, und die International Hospital Federation, London.
Am 28. Juli 1971 verstarb er im 65. Lebensjahr in Hannover.



 

Dörthe Noack: Die Studentenwohnheime von Wolfgang Rauda in Dresden, TU Dresden 2005. Textband und Datenbank Archivalien.

Zu den Wiederaufbauplänen nach dem 2. Weltkrieg gehörten die umfangreichen Expansionspläne für das gesamte Hoch– und Fachschulwesen auf dem Gebiet der DDR, insbesondere für den Standort der damals einzigen Technischen Hochschule in Dresden.
Ein vorrangiges Ziel der Hochschulpolitik war es, neben der Normalisierung des Studienalltags und dem Wiederaufbau der Lehr– und Institutsgebäude, zweckmäßige und tragbare Lösungen für die Unterbringung der Studenten zu finden. In dieser Arbeit werden die drei von Wolfgang Rauda entworfene Wohnheime (Fritz–Löffler-Straße 16/18, Güntzstraße 28, Güntzstraße 22) hinsichtlich ihrer Baugeschichte, architektonischen und funktionellen Gestaltung untersucht und in den Gesamtkontext der Architekturgeschichte der DDR eingeordnet.


Bauten von Wolfgang Rauda


Wohnhausbauten Dresden   1933 - 38
Regierungsbaurat 1938 - 1945
Entwürfe für Wohnbauten in "Litzmannstadt" (Łódź) und  „Kempen“ (Kępno)

  1940 - 45
Wettbewerb zur Gestaltung des Hotels am Neustädter Markt (freigelassen: Einbeziehung Wiederaufbau Narrenhäusl)   1946
Eigenes Architekturbüro   1947 - 52
Instandsetzung Waldparkhotel in Dresden-Blasewitz   1945 - 49
Wiederaufbau des ehem. Luftgaukommandos von Kreis   1948
Wiederaufbau Christuskirche in Dresden-Strehlen 1949 - 51
Bethlehemkirche Dresden-Tolkewitz 1950 - 51
Wettbewerb Nord-Süd-Verbindung 1. Preis: Kollektiv Wolfgang Rauda 1952
Wettbewerb zur Kongress- und Festhalle an der Nord-Süd-Verbindung (Pirnaischer Platz) 1952
Wettbewerb Altmarkt Dresden   1952/53
Studentenwohnheime Fritz-Löffler-Straße und Güntzstraße 1955 - 57
Nazarethkirche in Altseidnitz   1951
Oberschule Malschwitz   1953
Kirchliche Bauten in Herrenhuth und Bischofswerda   1953 - 54
Betriebspolikliniken Kunstseidenwerk Pirna und Waggonbau Görlitz   1952 - 54
Zentralschule Baruth/ Bautzen   1957
Flucht nach Westdeutschland   1958
Martin-Luther-Kirche in Hameln   1960- 62
www.martin-luther-gemeinde-hameln.de
Evangelisches Kirchenzentrum der St. Nathanaelgemeinde in Hannover-Bothfeld   1960 - 61
Evangelisches Kirchenzentrum in Emden   1961 - 63
Athanasiuskirche (Hannover)   1962 - 64
 umfassende Stadtkernsanierung in Gronau (Westfalen)   1964
Infos auf: www.wn.de
Evangelisches Studentengemeindezentrum in Göttingen   1963 - 65
Friedenskirche mit Gemeindezentrum in Breloh   1971



Dresden: Wettbewerb Nord-Süd-Verbindung 1952 - 1. Preis: Kollektiv Wolfgang Rauda, Plan Rauda Isometrie, Quelle: IRS Erkner, Grundriss (mit Demonstrationsplatz und Kongresshalle)





Dresden: Wettbewerb zur Kongress- und Festhalle an der Nord-Süd-Verbindung (Pirnaischer Platz) Kollektiv Wolfgang Rauda 1952, Abbildung: Stadtarchiv Dresden, Signatur: 4.1.9-347




Dresden 1946: Wettbewerb zur Gestaltung des Hotels am Neustädter Markt
(unter möglicher Einbeziehung des Wiederaufbau der Narrenhäusl-Ruine)  Entwurf: Wolfgang Rauda, Ansicht von Süden. Abbildung: Stadtarchiv Dresden, Signatur: 4.1.9-346


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