Carolabrücke
Funktionalität verbunden mit herben Betoncharme
   
   
Architekten
zweiter  Entwurf:
  Eckhart Thürmer (Ingenieur), Rolf Berger und Michael Franke (Kollektiv)

(Wettbewerb: 1964
Gewinner: E. Thürmer u. Willi Spoelgen)
Bauzeit:   1967-71
Adresse:   Carolaplatz / Rathenauplatz
Gesamtlänge:   375 m
Denkmalschutz: 2022


Aktuell:

Positionierung zur Wiedererrichtung der Carolabrücke
in Dresden,  5. Februar 2025

Neubau muss 2026 beginnen – Dresdner Wirtschaft fordert klare und ambitionierte Perspektive für den Wiederaufbau
Link zum Offenen Brief: www.hwk-dresden.de

u.a. "Verzicht auf langwierige Diskussionen über die Gestaltung: Der Neubau muss pragmatisch und funktional geplant werden, ohne Verzögerungen durch Debatten über optische Details."


Die Carolabrücke muss komplett abgerissen werden.

Die Details aus dem Gutachten
Brückenexperte Steffen Marx hat im Stadtrat sein Gutachten zur Carolabrücke vorgestellt. MDR vomn 12. Dezember 2024


Einsturz des Brückenzuges C am 11.09.2024


Der Brückenzug C (stromabwärts gelegene Straßenbahntrasse und Fußweg) ist in der Nacht am 11. September 2024 genau zwischen den Brückenpfeilern auf einer Länge von 100 Metern eingestürzt. Nach dem die beiden Autotrassen (Brückenzug A und B) der Carolabrücke gerade fertig saniert waren, sollte der dritte Brückenzug C ab 2025 saniert werden.

Bei der beendeten Sanierung der Autotrassen A und B wurde Carbonbeton verwendet, von dem sich in Zukunft viele Vorteile erhofften. Infos dazu: "Carbonbeton für die Carolabrücke" vom 21.01.2021: www.bauenimbestand24.de

Nähere Infos zur Carolabrücke auf: www.dresden.de



"Die Carolabrücke zwischen Augustus- und Albertbrücke wurde 1892- 95 von H. Klette und K. Manck errichtet. Dieses 500 m lange Bauwerk war eine Kombination von Stein- und Eisenträgerwerk, das nur mit 2 Strompfeilern die Elbe überspannte. Erhalten sind lediglich die 1907 von Friedrich Offermann geschaffenen Reiterplastiken (Nereide und Triton) am Altstädter Brückenkopf. Nach irreparablen Kriegsschäden (*) wurde die Brücke 1967-71 von Eckart Thürmer, Rolf Berger und Michael Franke mit einer Gesamtlänge von 120 m im Strombereich die längste Spannbetonkonstruktion der DDR."
(Architekturführer Dresden, 1997)

* = unkorrekte Angabe. Die Brücke wurde nicht durch "den Krieg" zerstört, sondern durch fanatische Zerstörungswut von SS-Kommandos erst am 7.Mai 45, einen Tag vor Kriegsende, gesprengt. Diese sinnlose Aktion zur Verteidigung der "Festung Dresden" sollte die heranrückende Rote Armee aufhalten, was nicht gelang und letztlich das Alltagsleben der Stadt über Jahrzehnte erschwerte.



Voutenträger - Balkenbrücke

Die neue Elbbrücke zwischen Carolaplatz und Rathenauplatz ist das Ergebnis eines 1964 ausgeschriebenen Wettbewerbes, den das Team Thürmer u. Willi Spoelgen gewann. Beim näheren Betrachten fällt die Eleganz der Schwingung dieser schönen modernen Brücke auf. In rasanten Kurven flutet der Verkehr von der Alt- zur Neustadt - eine gelungene architektonische und ingenieurtechnische Leistung.
Drei verschiedene Stränge verbinden Auto- und Straßenbahnverkehr + breite Fußwege in einer erträglichen Breite. Für die schmalen stromlinienförmigen Pfeiler wurde, wie schon bei der Autobahnbrücke von 1936, eine Verkleidung in rotem sächsischen Granit verwendet.
Die Stränge bestehen aus Hohlkästen und Spannbeton- Durchlaufträger. Mit insgesamt 375 Metern war die Carolabrücke die größte Spannbetonbrücke der DDR.

In der Planungsphase gab es verschiedene Varianten, eine davon mit einem sehr hohen Pylon (90 Meter) als Schrägseilbrücke, 1963 vom ehem. Chefarchitekten Dresdens Herbert Schneider entworfen. (Entwurf im Landesamt für Denkmalpflege Sachsen) Nach zähen Diskussionen entschied man sich jedoch für ein niedriges Bauwerk (ohne hohe Trägermasten etc.), die den freien Blick auf die berühmten Elbsilhouette nicht beeinträchtigen. Zeichnung: Jan. 1967







Ruine der alten Carolabrücke im Winter 1945/46, die Brücke wurde im Mai 45, wie alle Brücken der Innenstadt, von der SS gesprengt. Foto: SLUB
Carolabrücke 1975

Carolabrücke 1975

Carolabrücke 2004

Carolabrücke 2004

Carolabrücke 2004- Pfeiler in rotem sächsischen Granit


Dr. Rudolf-Friedrichsbrücke, 1975
  Wettbewerb Dr.-Rudolf-Friedrichs-Brücke 1964

   
  1. Preis Wettbewerb Dr.-Rudolf-Friedrichs-Brücke (Carolabrücke) 1964 Eckhart Thürmer u. Willi Spoelgen
  1. Preis Wettbewerb Dr.-Rudolf-Friedrichs-Brücke (Carolabrücke) 1964 Eckhart Thürmer u. Willi Spoelgen vom VE Projektierungsbüro Straßenwesen Dresden, Bild: Stadtplanungsamt Bildstelle/ Stadtarchiv Dresden, Vergrößerung

  Der Brückenentwurf zeichnete sich durch ein sehr schlankes Seitenprofil mit größtmöglicher freier Sicht auf die Altstadtsilhouette aus. Für die Beweglichkeit von Elbdampfern und Transportschiffen kommt die Konstruktion mit nur einem Pfeiler im Fluss aus. Die Jury überzeugte auch die Eleganz der leicht geschwungenen Linienführung der Brücke mit Verstärkung beim Mittelpfeiler (Voute).
Bei diesem ersten Entwurf  verwendeten die Ingenieure (außer dem mittleren Pfeiler) noch einfache runde Pfeiler. In dem 2. Entwurf wurden diese von der Form her dem Mittelpfeiler angepasst.

Der 2. Preis ging an den TU-Prof. Gustav Bürgermeister, Hirschwitz, VEPS, TU Dresden u. HfV mit einem durchgängig gerade durchgezogenen Brückenprofil. 

Keinen Platz belegte das Kollektiv IPRO I Dresden, VEPS Babelsberg u. VEPS Halle.

Die Dr.-Rudolf-Friedrichs-Brücke war Teil des Nord-Süd-Verkehrszuges vom Hauptbahnhof zum Albertplatz. In ihren ausfächernden Rampen der drei Trassen ging sie linkselbig in den breiten Grünzug um die Dresdner Altstadt mit ihren weit auseinander gezogenen Fahrtrassen über. Foto "Verkehrsknoten Leningrader Straße, Pillnitzer Straße" aus einer Broschüre zum Generalverkehrsplan 1977


Carolabrücke mit Blick zum Rathenauplatz und
Pirnaischer Platz nach Süden, ca. 1972

Die alte Carolabrücke war nach Carola von Wasa (1833-1907) benannt, Gemahlin des sächsischen Königs Albert.

Von 1971 bis 1991 trug die neue geschwungene Betonbrücke den Namen des ersten Dresdner Oberbürgermeisters von 1945 nach Zusammenbruch, Befreiung und Besetzung:
Dr. Rudolf Friedrichs. Der ehem. SPD- und spätere SED-Genosse Friedrichs stand als Ministerpräsident von 1946 der sächsischen Landesregierung vor. Er starb bereits im Juni 1947.  Im Jahr 1991 erhielt das Bauwerk den Namen Carolabrücke.

   
  Erneuerung und Bewahren

Die beiden Plastiken der alten Brücke thematisieren einmal mehr das große Thema Erneuerung und Bewahren in Dresden. Sie stehen zusammenhanglos und verloren am Rand der Wiese. Nur Eingeweihte wissen, dass es sich um Nereide (Allegorie der befruchtenden Kraft des Wassers) und Triton (Allegorie der zerstörerischen Kraft des Wassers) handelt. Friedrich Offermann schuf, mehr als 10 Jahre nach Fertigstellung der alten Carolabrücke, im Jahr 1907 diese Kunst am Brückenbau. Die beiden Figuren standen am Beginn der langen Zufahrtsrampe auf Altstädter Seite in Höhe der Sempersynagoge. Sie trugen die Namen "Bewegte Elbe" und "Ruhige Elbe". Jene Relikte der alten, überbordend geschmückten Brücke aus der Belle Époque-Zeit kontrastieren auf eine bizarre Weise mit dem spröden Reiz des neuen konstruktiven Bauwerks.


Die Auffahrtsrampe

Für die lange Auffahrtsrampe der alten Carolabrücke wurde 1892 die gesamte Westseite der Straße Elbberg komplett abgerissen und dann nicht mehr bebaut. (Vgl. Foto um 1900: und Stadtplan von Dresden 1862: www.deutschefotothek.de - Quadrat: 23)

1967 musse beim Bau der neuen Dr.-Rudolf-Friedrichs-Brücke und im Zuge der gesamten Verkehrs-Neuordnung die Straße Elbberg aufgegeben werden. Das ansteigende Höhenniveau wurde dann mit einer begrünten Erdböschung als Landschaftsarchitektur ausgeglichen. Für Fußgänger entstanden breite Treppenanlagen zum tiefer gelegenen Terrassenufer am Beginn des eigentlichen Brückenbauwerkes auf Altstädter Seite.


  Alte Carolabrücke - Triton - Alegorie der zerstörierischen Kraft des Wassers von 1907
Eingefügte Reste vom Bauschmuck der alten Carolabrücke mit Allegorie des Triton.
 

Kühn gespannter Beton
Der Bau der Carolabrücke war 1968 eine gewagte Ingenieurleistung. Von Stefan Rössel
(SZ vom 12.05.2005)

Als die Carolabrücke 1895 eröffnet wurde, war sie bereits die vierte Elbbrücke in der Stadt. Schon damals wurde besonders auf den Schiffsverkehr Rücksicht genommen. Um ihn möglichst wenig zu beeinträchtigen, bekam das 332 Meter lange Bauwerk im Strombereich nur zwei steinerne Pfeiler. Das gewährte eine Spannweite bis zu 61 Metern. Die Konstruktion wurde aus Stahlbögen mit Fachwerk errichtet.

Auch in der Epoche sollte sie eine zweite Voraussetzung erfüllen: Der Ausblick von der Brühlschen Terrasse auf die gegenüberliegenden Elbhänge musste frei bleiben. Deshalb wurde die Konstruktion flach gehalten; auf hochragende Pfeiler wurde verzichtet.

Mit dem Kriegsende kam 1945 auch die Zerstörung der Carolabrücke. Der Historiker Uwe Schieferdecker schreibt: „Am 7. Mai erreichten erste sowjetische Truppen die Neustadt. Am selben Abend zerstörten Sprengkommandos der SS die Dresdner Elbbrücken.“ Nur die Pfeiler blieben in der Elbe.

Die Maximen der ersten Konstruktion galten auch für den Neubau. Flach sollte er sein, um die Blickbeziehungen möglichst wenig zu stören. Und er durfte dem Schiffsverkehr nicht im Wege stehen. Die Reeder forderten sogar, den Strompfeiler auf Altstädter Seite zu beseitigen.

Das wurde mit einer völlig neuen Konstruktion erreicht. Spannbeton und Hohlkastenträger bilden das Grundgerüst. Das Hauptstück überspannt 120 Meter, so dass im Strombereich nur noch eine Stütze steht. Insgesamt kommt sie mit vier neuen Pfeilern aus. Ein Koppelträger hält drei getrennte Brückenteile für zwei Fahrbahnen und die Straßenbahngleise zusammen.

Auch die zweite Carolabrücke wurde in ein neues Verkehrskonzept eingepasst. Der Generalbebauungsplan von 1967 spricht von einer „neuen Trasse“ für eine autogerechte Stadt. Breite Schneisen ziehen von Albert- und Palaisplatz über die neue Brücke zur St.Petersburger und Budapester Straße.

Sie ist auch die mit Abstand am stärksten frequentierte städtische Brücke über die Elbe. 53 000 Fahrzeuge pro Tag wurden 2003 im Durchschnitt gezählt, 10 000 mehr als auf der Albertbrücke.

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Die Carolabrücke erhielt 1971 eine relativ niedrige Beleuchtung von je zwei zylinderförmigen Leuchten, die in Abstand von ca. 5 Metern entlang des Geländers angebracht wurden. Foto: Mai 2010 TK
 


Modell Carolabrücke (Vorstufe) mit längerer Auffahrtsrampe und flankierender Bebauung, Foto: SLUB Dresden


Generalbebauungsplan Dresden 1967

Im nebenstehenden Dresdner Bebauungsplan von 1967/ 1969 ist die radikal moderne Verkehrstrasse der Nord-Südschneise, die die Alt- und Seevorstadt von der östlich gelegenen Pirnaischen Vorstadt abtrennt und dem Großstadtverkehr alle Zukunftsprioritäten einräumt, gut zu erkennen. Die Planung ist nur z.T. realisiert worden. So ist der Verkehrstunnel am Wiener Platz erst nach 1989 entstanden, während der Platz völlig vom Autoverkehr befreit worden ist. Der überdimensionierte Pirnaische Platz, der Rathenau- bzw. Carolaplatz auf der Neustädter Seite sowie die überbreiten Fahrbahnen sind jedoch Resultat dieses hypertrophen, grenzenlos auf Wachstum eingestellten Verkehrskonzeptes, zu dem auch die Carolabrücke gehört. Die extreme Breite des Verkehrszuges erklärt sich allerdings auch aus der Anlage eines großzügigen Grünrings um die Altstadt.

Bereits 1951/52 hatte es in Dresden einen städtebaulichen  Wettbewerb für eine leistungsfähige "Nord-Süd-Verbindung" zwischen Altstadt und Pirnaischer Vorstadt gegeben, bei dem das "Kollektiv Wolfgang Rauda" den ersten Preis errang. Die Umsetzung wurde jedoch in den 1950er Jahren nicht weiter verfolgt, da die Altmarktplanungen (zentraler Platz) und die Errichtung der Ernst-Thälmannstraße ("Ost-West-Magistrale") Priorität hatten.

Wie nah sich die Idealplanungen für eine autogerechte Stadt in Ost und West waren, hat 2001 Barbara Schmucki untersucht:

Literatur:

Barbara Schmucki: Der Traum vom Verkehrsfluß. Städtische Verkehrsplanung seit 1945 im deutsch-deutschen Vergleich (speziell München und Dresden), Frankfurt Main 2001 / Link zum vollständigen Text bei google (ab S. 230)

Generalbebauungsplan und Generalverkehrsplan der Stadt Dresden. Rat der Stadt Dresden 1967

Ausführlicher Artikel bei Wikipedia zur Carolabrücke


Carolabrücke (ehemals
Dr.- Rudolf- Friedrichs- Brücke),
Foto: TK 2012 - andere Perspektive

  Generalbebauungsplan Dresden 1967 / 1969 (Ausschnitt) Vergrößerung bzw. Gesamt-ansicht des Bebauungsplanes der Dresdner Innenstadt von 1969


Städtebaulicher Wettbewerb Dresden Nord-Süd-Verbindung 1951/52. Wolfgang Klier: Ankauf, Quelle: IRS Erkner (DDR Planungsgeschichte PDF),  Vergrößerung

 


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Einige Jahre früher wie die Carolabrücke wurde von 1963-67 der Straßenzug Budapester Straße, auch von Ing. Eckhart  Thürmer, über den 26er Ring und die Eisenbahntrasse errichtet - ebenso ein eindrucksvoller Verkehrsbau als typisches Beispiel der 60er Jahre in Deutschland. Foto: Dt. Fotothek, ca: 1968

 

   
 
Panoramablick auf die Elbe und die Carolabrücke von der Kuppel der Frauenkirche 2007 (kurz vor dem Baubeginn der Waldschlösschenbrücke), Vergrößerung. Foto: Thomas Kantschew


Text: Thomas Kantschew 2004 (mit späteren Ergänzungen, insbesondere 2024)