Wasserturm Klotzsche
Wehrcharakter der NS-Ideologie

 

Architekt:   Kurt Otto
Bauherrin:   Sächsische Flughafen - Betriebsgesellschaft mbH
Bauleitung:   Staatliches Straßen - und Wasserbauamt Dresden
Adresse:   Karl-Marx-Str./ Dörnichtweg
Bauzeit: 1935
Umbau:   2003
Bauherr:   SID Bau GmbH
Architekt:   Architekturbüro Gast



"Das Klotzscher Wasserwerk wurde 1899 an der Königsbrücker Landstraße errichtet. Die Wasserförderung erfolgte über mehrere Tiefbrunnen und den Flossertgraben.
Wegen des Flughafenbaus musste 1935 der alte Behälter abgetragen und als Ersatz ein neuer Wasserturm errichtet werden, der bis heute den Ort überragt und Wahrzeichen Klotzsches ist.

Der 35 Meter hohe Turm war zeitweise auch Bestandteil des früheren Stadtwappens. Nach 1945 wurde das Wasserwerk, dessen technische Einrichtung noch erhalten ist, stillgelegt. Der architektonisch interessante Turm mit einer Relieftafel an der Fassade war noch bis in die 60er Jahre in Betrieb und wurde zugleich als Feuerwachturm genutzt. Pläne für einen Umbau zum Jugendclub scheiterten. Nach dem Verkauf des denkmalgeschützten Gebäudes 2001 sind künftig Eigentumswohnungen im Turm geplant."
(www.dresdner-stadtteile.de/Nord/Klotzsche/hauptteil_klotzsche.html )

Das Gebäude diente ursprünglich hauptsächlich der Wasserversorgung des Flughafens. Es hatte ein Fassungsvermögen von 10 000 Hektoliter. Der später auch als Feuerwachturm genutzter Turm wurde 1970 stillgelegt und stand bis 1987 als kommunale Weiterbildungsstätte zur Verfügung.


Architektur
Tragkonstruktion und Wasserbehälter in Eisenbeton, Ausfachung 1,5 Stein starkes Ziegelmauerwerk

Maße des Turmes:
27m ohne Dach, 35m mit Dach, quadratischer Grundriss 14,36m x 14,36m
In zwei Geschossen, so im Saal unterhalb des Wasserbehälters, war eine halböffentliche Nutzung möglich.

In der Bauakte zum Wassertum Klotzsche (Stadtarchiv Dresden) kann man vom 12. November 1934 nachlesen, dass es eine Diskussion der architektonischen Gestaltung gab. Der Heimatschutz befürwortete eine Raumausnutzung im Inneren. Der Bürgermeister von Klotzsche Olzmann wollte einen Aussichtsrundgang über dem Wasserbehälter. Eine Kombination von Wasser- und Aussichtsturm wurde allerdings aus hygienischen (Bezirksarzt Dr. Triebel) und gestalterischen Gründen (Architekt K. Otto) abgelehnt.
Schließlich einigt man sich auf einen Umgang für Aussichtszwecke um oberen Teil der Baumasse aufzulockern, der jedoch mehr oder weniger dann nicht öffentlich genutzt wurde. Der Heimatschutz konnte sich mit Forderungen nach Ziegeleindeckung, statt Schiefer,  Wasserspeier statt Fahllrohre und einem Pergolagang nicht durchsetzen.


Die Architektur des technischen Versorgungsbaus ist typisch für die ideologiegeprägte NS-Zeit. Aus technischen Gründen musste das Bauwerk an einer besonders hohen Stelle stehen, aber auf der Höhe hatte es vor dem Umbau auch mit seiner Architektur etwas wuchtig Trutziges. Das letzte mittels Stützen aufgelöste Staffelgeschoss erhielt eine Art Aussichtsgeschoss mit adlerhorstartigem Charakter. Dazu unterstrichen schießschartenartige Fensteröffnungen den dominanten bollwerkhaften Eindruck.


Der Wasserturm in seiner trutzigen Breite pendelt zwischen den klaren Formen der Moderne und eines deutschen Heimatstils mit schrägen Zeltdach im geometrischen rechten Winkel in der Draufsicht. Die strenge Formensprache erinnert an Tessenow-Bauten, wie z.B. die Landesschule in Klotzsche.

2004 - Pragmatische Umnutzung

2004 wurde der Turm grundlegend für Wohnnutzung umgebaut. Die neuen Eigentumswohnungen mit hochstehenen Fenstern erstrecken sich über 8 1/2 Etagen. Natürlich ist eine Umnutzung des jahrelang leerstehenden Gebäudes begrüßenswert. Alle Wohnungen erhielten Balkone oder eine Loggia, wobei die oberste Penthouse-Wohnung wohl den größten Reiz hat. Infos auch auf:
www.baunetz.de


Wasserturm 2006

 

Wasserturm 1949Wasserturm Planungsskizze 2003
Umgebauter Wasserturm, April 2005




Bildhauerisches Schmücken an Gebäuden während der NS-Zeit: Vergeblicher Kampf gegen das Entschwinden von Bautraditionen

Eine originale größere Relieftafel, die eine unbekleidete Frau mit schwer-ernstem Gesicht an einer Wasserquelle darstellt, war ursprünglich als Schmuck direkt an einer Wand des technischen Gebäudes angebracht. Sie ist 2004 mit der Umwandlung des Wasserturmes in Wohnungen als separates Kunstwerk freistehend im Gras vor das Gebäude aufgestellt worden. Dieser Vorgang umschreibt letztendlich symbolisch den Umgang und die Wertschätzung, die man architekturbezogener Kunst im Laufe der Moderne zubilligt. Während sich im Laufe der 1920er Jahre bedeutende Künstler, wie z.B. Georg Kolbe sehr kämpferisch gegen eine Abstufung der Bildhauerei als rein dekorative Gebäudezier wandten und für ein freies (quasi autonomes) Aufstellen von Plastiken und Skulpturen stritten, wollten konservativ gesinnte NS-Ästheten diesen Anspruch der drängenden Modernisierer abdämpfen und propagierten ein fortführendes Einbeziehen architekturbezogener Kunst an Gebäuden. Praktisch wurde jedoch, wie z.B. am Olympiastadion in Berlin weiter freistehende Plastiken wie die Figuren Arno Brekers verwendet.
Oftmals wirkt das demonstrative Integrieren von Kunstwerken an Gebäuden der späten 1930er Jahren bemüht. Zu sehr haftet diesen Gesten etwas
betont Trotziges an, jahrhunderte währende Traditionen einer Synthese von Bau und baugezogener Kunst auch im modernen 20. Jahrhundert weiter fortführen zu wollen. Die Kunstwerke, wie hier z.B. am Dresdner Wasserturm, haben aber etwas Plakatives und gehen keine wirkliche Synthese mit dem Bau ein.
Das Freiaufstellen der Relieftafel 2004 ist folgerichtig auch ein konsequenter Akt des langsamen Loslösens vom Bau.


Das freistehende Kunstwerk
- als Spiegel der Gesellschaft - geht im 20. Jahrundert nur noch durch Sichtachsen eine gestalterisch direkte Verbindung mit dem Bau ein. Ansonsten behauptet in der fortgeschrittenen Moderne das Individuum verstärkt Autonomie und Freiheit gegenüber der Massengesellschaft. Ein Zurück des künstlerischen Einzelteils zum Eingliedern ins Ganze - symbolisch ausgedrückt in der Architektur - müßte mit einer Reduzierung des Freiheitsanspruches von moderner Kunst einhergehen. Nach den großen deutschen Dikaturen im 20. Jahrhundert, in der die Freiheit maßlos bekämpft wurde, ist dieser Wunsch irrelevant.

Literatur (u.a.):
Werner Rittich: Architektur und Bauplastik der Gegenwart, Berlin 1938



Stadtlandschaft und Volksgemeinschaft

aus Werner Durth: "Städtebau und Weltanschauung" 1997

(...) "Diese neuen Städte einer neuen Volksgemeinschaft werden der sichtbarste und dauerndste Ausdruck eines neuen Gemeinschaftswillens sein [...]. Eine neue Wissenschaft einer neuen Stadtplanungskunst konnte und kann nur erwachsen auf dem Boden neuer weltanschaulicher Grundgedanken." Mit diesen Worten leitet Gottfried Feder, seit 1930 als maßgeblicher Programmatiker Mitglied der Reichsleitung der NSDAP und ab 1934 Reichskommissar für das Wohnungswesen, sein voluminöses Buch "Die neue Stadt« ein, das auch nach 1945 in Fachkreisen noch lange als Standardwerk geschätzt wird. (1) Trotz polemischer Ablehnung der sachlichen Formen moderner Architektur, die in den politischen Polarisierungen seit Ende der zwanziger Jahre als Ausdruck eines zersetzenden "Kulturbolschewismus" denunziert worden waren, übernahmen die Nationalsozialisten nach Verfolgung und Vertreibung der politisch exponierten Protagonisten der Moderne wesentliche Grundzüge der seit der Jahrhundertwende entwickelten Konzepte des Neuen Bauens - nun freilich eng eingebunden in eine völkische und rassistische Ideologie, die bis in die Terminologie der "neuen Stadtplanungskunst" eine durchgreifende Biologisierung gesellschaftlicher Entwicklungsprozesse widerspiegelt: "Dieser Stadtorganismus wird sich zusammensetzen aus einer ganzen Reihe von Zellen, die sich dann zu Zellenverbänden innerhalb verschiedener Unterkerne um den Stadtmittelpunkt herum gruppieren. Oft werden mehrere Unterkerne zu einem Zellverband höherer Ordnung zusammentreten, um dann erst die verschiedenen Zellverbände höherer Ordnung zum Gesamtorganismus zusammenzuschließen, in dem dann die der ganzen Gemeinde dienenden Einrichtungen Platz finden."

Quelle: www.dhm.de/ausstellungen/aufbau_west_ost/katlg05.htm

(1) Feder, Gottfried: Die neue Stadt. Versuch der Begründung einer neuen Stadtplanungskunst aus der sozialen Struktur der Bevölkerung, Berlin 1939

Besonders Dresden hat mit Forschung und Propaganda des "Deutschen Hygiene Museums" hohen Anteil an dieser metaphergeschwängerten Biologisierung moderner Stadtplanungstheorien in der Mitte des 20. Jahrhunderts.
Der Begriff "Zelle" taucht z.B. ungebrochen wieder in den Nachkriegsplanungen als "Wohnzelle" auf. Ebenso die Zellensprache westdeutscher Linker griff auf dieses Vokabular zurück.
In Klotzsche erfolgte in den 30er Jahren im Zuge der Flughafen- und Kriegsschulenbebauung eine großzügige Bebauung und Erweiterung des kleinen Ortes in Einfamilienhaus- oder Siedlungsbauweise.

Originale Relieftafel: nackte Frau, mit einem Becher an einer Quelle Wasser schöpfend.
Als autonomes, architekturunabhängiges Kunstwerk frei am Boden aufgestellt. (Foto: 12/06) -
Im oberen Bildausschnitt von einem Foto aus dem Jahr 1949 ist die Lage diese Tafel an der Turmwand gut erkennbar.

Die nackte Frau an der Wasserquelle war natürlich als Metapher gemeint und passte in das mythenschwere NS- Kunstkonzept. Frau und Wasser sollten suggestiv als fließender Lebensquell zu einer symbolischen Einheit verschmelzen.


























Zum Vergleich: Wasserturm in Dresden Hellerau, errichtet: 1925 von Hans Richter, Vergrößerung. Foto: 2018 TK
Richter betonte mehr die technischen Funktion dieses Bauwerks in einer klaren modernen Architektursprache der Reduktion.