Glaskugelhaus am Wiener Platz
Ein spektakulärer Blickfang als Willkommensgruß

 
Architekten:   Architekten am Körnerweg -
Siegbert L. Hatzfeldt, Dresden
www.langner-von-hatzfeldt.de
und wmb Architekten, Berlin
Bauzeit:   2004- 05
Adresse:   Wiener Platz / Prager Straße
Bauherr   Kurt Krieger


Dresden befreit sich aus dem nostalgischen Blick von außen

Architektur ist Kommunikation zwischen Sendern und Empfängern. Das wiedervereinte Deutschland blickte anders auf Dresden, als es die Teilhälften vor 1989 taten. Besonders Westdeutschlands ältere Bildungsbürger reflektierten Dresden nach der "Wende", aus ihrer eigenen Erfahrung mit der westdeutschen Nachkriegsmoderne durch eine nostalgische, sehnsüchtige Wahrnehmung und prägten dadurch in großen Maße das Selbstbild der Stadt, die in den 90er Jahren zunehmend in den Strudel touristischer Vermarktung geriet- auch aufgrund massenhaft wegbrechender Arbeitsplätze. Mitte des ersten Jahrzehnts im 21. Jahrhundert scheint eine selbstbewusstere Haltung eines im Heute wurzelnden Dresdens zu wachsen. Die Stadt schaut neben der legitimen und wichtigen Denkmalpflege nach ihrem eigenen Zukunftspotential für die Bürger der Stadt. Das Ende Mai 05 eröffnete Glaskugelhaus am Wiener Platz baut nun eine Brücke zwischen touristischem Signal und praktischen Bedürfnissen des Dresdner Alltags.


Kugelmythos

Der Entwurf für dieses Gebäude - nicht zu verwechseln mit der von einem Verein angestrebten Rekonstruktion des Kugelhauses aus dem Jahr 1928 am Großen Garten - stammt von dem aus Westdeutschland nach Dresden gewechselten Architekturbüro Siegbert Langner Hatzfeldt
Der 15 Millionen Euro teure Neubau bemüht sich um einen Blickfang am Wiener Platz gegenüber dem Hauptbahnhof.
Ein viergeschossiger Gebäudequader klammert das sechs Stockwerke hohe kugelförmige Volumen ein. Die Form könnte an einen Trackball einer Computermaus oder an die Zerbrechlichkeit unseres Kugelplaneten erinnern.
Ursprünglich sollte das Gebäude ein Wissenschaftszentrum beherbergen, doch konnten dafür nicht genügend Interessenten akquiriert werden. Man plante auf eine kommerzielle Nutzung um (Boutiquen, Friseur, Fleischerei, Tattoo- und Piercing-Studio, Apotheke). Finanziert wurde das Kugelhaus vom Elbepark-Manager und Möbel-Höffner- Eigentümer Kurt Krieger, nach Ikea größte Anbieter bundesweit.



Urban Renaissance in Deutschland

Das ambitionierte Haus in der sächsischen Kulturmetropole steht stellvertretend für eine neue Urban Renaissance in Deutschland. Cityzentren werden durch Revitalisierung und Stadtumbau mit viel Aufwand attraktiver gemacht. Allein das Treppenhaus als Herzstück des neuen Dresdner Kugel-hauses kostete 2,5 Millionen Euro.

Die Glaskugel dient in erster Linie der Gebäudeerschließung. Als Treppenhaus ermöglicht es durch Rolltreppen im Zentrum der kreisförmigen Etagen ein rasches Erreichen der Verkaufsflächen. Im oberen Teil der Kugel befindet sich ein Restaurant mit Panoramablick.

Der Architekt Hatzfeldt greift bei seinen Entwürfen für das exponierte Shoppinggebäude auf die Kugelhaus-Idee von 1929 zurück. "Ich würde mich freuen, wenn es uns gelingt, in Dresden so etwas Besonderes für Sachsen zu schaffen", sagt Hatzfeldt. Die Idee für das Kugelhaus habe Reinhard Martin, Chef der Aufbaugesellschaft Prager Straße, gemeinsam mit dem Architekten Hatzfeldt und Manfred Stamm entwickelt.

Komplett kugelförmig ist die Geometrie des großen Glasballs allerdings nicht: den unteren Teil ließ man aus statischen Gründen weg. Eigentlich sind es nicht einmal zwei Kugelhälften, denn am westlichen und östlichen Ende der Kugel geht der Kugelraum ohne jede Zwischenwand direkt in die Verkaufsräume der Quaderhäuser über.


Ingenieurtechnische Herausforderung


DNN vom 26.01.05: "Allerdings birgt die extravagante Architektur auch Tücken: Damit das Kugelhaus nicht zum Ei wird, musste eine sorgfältige Konstruktion her, für die eine Zwickauer Firma zweifach gebogene Spezialrohre lieferte. Die Verglasung daran wird mit Kugellagerschrauben befestigt, die dafür sorgen, dass sich die Kugel bei Temperaturschwank-ungen gleichmäßig dehnt und schrumpft. Und auch die angestrebte Transparenz birgt Probleme: Damit im Sommer aus dem Glas kein unerträglich heißes Gewächshaus wird, verwendet der Bauherr wärmefilterndes Glas mit einer kaum sichtbaren Spezialbedruckung. Unter der Kugel setzt die Drewag eine zentrale Kältemaschine ein, welche die Kugel im Sommer auf angenehme Temperaturen bringen soll."


Erst seit wenigen Jahren ist eine schier grenzenlose Bearbeitung des Materials Glas ingenieurtechnisch möglich geworden. Durch unterschiedlichste Biegungen kann nahezu jede denkbare Form in Glas gegossen werden (siehe z.B. das im Dezember 04 eröffnete Medienzentrum Cottbus von Herzog & de Meuron, Basel). Allerdings ist die Festigkeit der einzelnen Glasteile in der Vergangenheit auch durch beste Computertechnologie nicht immer gewährleistet worden. Schlagzeilen machte u.a. das Modekaufhaus Lafayette in Berlin, bei dem immer wieder einzelne Glasscheiben zu Boden stürzten. Das Dresdner Glaskugelhaus erhielt enttäuschenderweise jedoch keine gebogenen Scheiben, sondern platte Glasflächen. Schade!

Für die Tragwerksplanung des Stahlbaus der Kugel verantwortlich zeichnet Erfurth + Partner (E+P). Die Stahl- und Glaskuppel wird zusammengeschraubt, anstatt - wie ursprünglich geplant - verschweißt.


Ende des Funktionalismus ?

Interessant ist, dass die Architektur erfunden wurde, bevor die Nutzung feststand. Egal, ob nun ein Science Center, ein Einkaufskomplex oder Büros entstehen, die Prinzipien des Funktionalismus, bei der die äußere Form (und innere Grundriss-Logik) der Funktion folgen sollen, sind bei diesem Gebäude eindrucksvoll außer Kraft gesetzt.
Auf was verweist nun die Architektursprache des Gebäudes? Mehr als nur Shoppingfreuden wird dieses innovative Gebäude wohl in erster Linie Offenheit in die Zukunft signalisieren - eine gute Botschaft neben dem Selbstbewusstsein um die glanzvolle Vergangenheit der Dresdner Residenzstadt.

Aber vielleicht ist es in Zeiten von Flexibilität und variablen (Um-) Nutzungen gar nicht so schlecht, etwas Theorieballast für mehr Wachstum über Bord zu werfen.


Glaskugelhaus Ende April 2005, einem Monat vor der Eröffnung als  Kaufhaus
Foto: 2005 TK Blick auf den Baukomplex vom Bahnhof aus, Ende April 2005
Wiener Platz, Foto: 2005 TK Schöne Refektierung der neuen Teflonbögen vom Foster-Bahnhof, April 05
Spiegelungen, Foto: 2005 TK
Foto: 2005 TK Glaskugelhaus Dresden am Wiener Platz
Die Visualisierung gaukelt einen Idealzustand von Durchsichtigkeit vor, den es in der Realität bei Tageslicht nicht gibt. Computervisualisierung der Glaskugel mit der Rolltreppe
Glaskugelhaus im Rohbau - Februar 05
Glaskugelhaus im Rohbau - Februar 05

Rundes Treppenhaus, Aufnahme: Juli 2005
Rundes Treppenhaus, Aufnahme: Juli 2005

Gläserner Aufzug im Kugeltreppenhaus in Anlehnung an den Aufzug des Kugelhauses von 1929 (Aufnahme: Juli 05)

Städtebaulicher Entwurf

In Anlehnung an die Vorkriegsbebauung freistehender Stadtvillen hatte 1993 das Kölner Architekturbüro Mronz & Kottmaier, kubische Würfelhäuser als Schaufront gegenüber dem Dresdner Hauptbahnhof entworfen. Das Büro ging damals beim Wettbewerb zum Wiener Platz als Sieger hervor.
Mit diesem Entwurf gewinnt der Wiener Platz seine Qualität als Stadteingang zurück, wird als Platz überhaupt erst wieder erlebbar.
Zwei dieser Würfelhäuser wurden nun durch den Entwurf von Hatzfeldt zu einem Quader zusammengefasst und durch das Scharnier des gläsern-runden Treppenhauses verbunden. Damit ist die ursprüngliche städtebauliche Idee der Reihung von sechs freistehenden Würfelhäusern verwischt. Den Eindruck, die ursprüngliche städtebauliche Idee abzuschwächen, unterstützt optisch noch die funktionslose durchgehende Betonkante in Traufhöhe, die in der Innenseite die runde Kurve spiegelt. Der eigentliche Blickfang auf die Kugel wird dadurch jedoch leider empfindlich beeinträchtigt.

Die drei anderen Würfelhäuser wurden 2008 mit einem Bürohaus und einen InterCity Hotel bebaut.


zum Vergleich: Vorkriegsbebauung: Central Hotel am Wiener Platz



Dresden als Großstadt in Szene setzen

Die Vorkriegssituation des Wiener Platzes war allerdings im Hinblick auf die großstädtisch hochfliegenden Träume des Dresdner Stadtplanungsamt unter Poelzig und Paul Wolf unbefriedigend. Gerade die Einmündung vom Wiener Platz zur Prager Straße zeigte eine harte Brandwand mit anschließender biedermeierlicher Villenbebauung.
(Die Gründerzeit hatte es versäumt, an dieser Ecke ein räumliches Volumen auszuprägern. Die städtebaulich-urbane Situation blieb ungeklärt. Hier der Zustand des Wiener Platzes von 1930: Postkarte.)
Alle diese Villen sollten schon in den 1920er und später auch in den 1930er Jahre abgerissen werden. Stattdessen sollte eine opulente Großstadtbebauung entstehen. Während der NS-Zeit war hier am Beginn der Prager Straße ein Großstadt-Hochhaus geplant. Keiner dieser Pläne wurde jedoch vor 1945 realisiert.


Der Preis

Die Investition des Glaskugelhaus durch den Möbelhändler Kurt Krieger wurde durch eine umstrittene Erweiterung des großen Möbelkaufhauses Höffner im Dresdner Elbepark "erkauft". Kurt Krieger, der auch Möbel-Höffner-Eigentümer ist, erbat sich von der Dresdner Bauverwaltung grünes Licht für die Erweiterung seiner Einkaufsflächen
auf den grünen Wiesen von Kaditz/ Mickten. Die Stärkung des Stadt-zentrums hat eben ihren Preis.

 


Städtebaulicher Entwurf von Mronz & Kottmaier (1993): sechs aneinander gereihte Würfelhäuser als Gegenüber vom Hauptbahnhof. (Bildausschnitt)


Modell Wiener Platz - Städtebaulicher Ideenwettbewerb: 1. Platz Mronz & Kottmaier, Vergrößerung, mehr Infos auf: www.dresden.de

 

 

 

 





Z.B. wurde 1921 vom Hochbauamt Dresden (Carl Hirschmann) gegenüber vom Hauptbahnhof an der Einmündung zur Reitbahnstraße eine sehr große Baumasse, sowohl in der Breite, als auch in der Tiefe des Grundstückes und mit 18 Stockwerken kraftvoll in die Höhe aufragendes Bürohochhaus mit Hotel geplant. Ansicht, Grundriss
Das Projekt wurde nicht ausgeführt.
(Fotos: TK, Originale: Stadtplanungsamt Bildstelle, Stadtarchiv)

 

Das Gläserne Dresden

Bereits der Hauptbahnhof, 1892 begonnen, zeichnet sich an den Seitenfenstern durch großzügige Glasflächen aus, die den Blick auf den Wiener- und ehem. Bismark Platz öffnen. Das so unwiderstehliche Baumaterial der Moderne - G
las scheint jedoch ein Jahrhundert später, an der Schwelle des 21. Jahrhunderts, eine absolute Dominanz zu entwickeln:
Gegenüber dem Glaskugelhaus entstand 2006 ein weiteres Glashaus vom Investor OELSCHLÄGER Wiener Platz Dresden GmbH, als 130 Meter langes "Tortenstück" genanntes Geschäftshaus (
Homepage: www.glashaus.tv ), welches stilistisch u.a. an das Urbis Center in Manchester von 2002 anknüpft (www.urbis.org.uk).

Desgleichen das Eingangshäuschen zum unterirdischen Parkhaus, ebenfalls von Hatzfeld entworfen, besteht z.T. aus dem transparenten Material Glas, wie auch das Modekaufhaus Breuninger auf der Prager Straße. Bei so viel Durchsichtigkeit wird der Wiener Platz am Ende wohl gar nicht mehr erkennbar sein, könnte man süffisant fragen.
Doch tatsächlich: Innen- wie Außenräume werden bei dem alleinigen Einsatz von Glas praktisch aufgelöst. Menschen finden sich dann nicht mehr in haltgebenden Räumen wieder, sondern die Raumgrenzen werden fließend und unverbindlich. Die Konzentration des Innenbetrachters richtet sich dann nicht mehr auf die Raumwände, sondern auf die Dinge, die hinter der Raumgrenze liegen, z.B. das quirlende Leben auf dem Wiener Platz. Vielleicht ist solch eine interaktive Betrachtungsweise symptomatisch für die Welt der Moderne. Nicht die statischen, zur Schau gestellten Wände künden von den Ideen der Gegenwart, sondern die reale Bewegung der freien-selbstdenkenden Individuen und Gruppen. Doch ein Bekenntnis zu einer gesellschaftlichen Idee (etwa von vorgetäuschter Transparenz) sind die inflationär angewandten Glaswände nicht.

 


Werner Tübke: Ausschnitt aus dem Monumentalpanorama in Bad Frankenhausen; vollendet 1989. (Eine aufbrechende Glaskugel als Zukunftsorakel und Erdball bzw. -scheibe)



Weder Kugel noch Würfel

Nach der Eröffnung des neuen Shoppingcenters am Hauptbahnhof mehren sich doch kritische Stimmen über die Architektur des Hauses, die die hochgesteckten Erwartungen leider nicht befriedigen. Beim näheren Betrachten wird klar, daß die im Entwurf freistehende Kugel dann doch keine richtige Kugel geworden ist, sondern von den Kuben rechts und links zu sehr in die Zange genommen wird und der Glasball nur noch im Obergeschoss als freie klare Form erkennbar ist.
Auch die beiden Würfel sind keine Würfel, wie der städtebauliche Entwurf von Mronz & Kottmaier mit seinem klar quadratischen Grundriss nahe gelegt hatte, sondern verwurschtelte Formen mit seltsamen Dachaufbauten und unterschiedlichen Längen- und Tiefenmaßen. Eine konsequentere geometrische Formengestaltung hätte mehr überzeugt.


Sky-Restaurant (März 2006) - siehe auch derzeitiges Restaurant dort "Schwerelos": www.rollercoaster-dresden.de